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Titel: Verblendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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Vanger hatte sich dreißig Jahre lang tunlichst von Hedestad ferngehalten. Seit ihr Vater auf die Hedeby-Insel zurück gezogen war, hatte sie kaum einen Fuß dorthin gesetzt.
    »Ich will wissen, was mit Harriet Vanger passiert ist. Es wird Zeit für die Wahrheit.«
    »Harriet? Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    Mikael lächelte über ihre gespielte Verwunderung.
    »Sie waren Harriets engste Freundin in der Familie. Sie hat sich mit ihrem schrecklichen Wissen an Sie gewandt.«
    »Sie spinnen wohl!«, sagte Anita Vanger.
    »Damit haben Sie wahrscheinlich sogar recht«, meinte Mikael leichthin. »Sie waren in Harriets Zimmer, Anita. Das kann ich mit einem Foto beweisen. In ein paar Tagen werde ich Henrik Bericht erstatten, und dann erfährt er es auf diese Art. Warum erzählen Sie mir nicht einfach, was geschehen ist?«
    Anita Vanger stand auf.
    »Verlassen Sie sofort mein Haus!«
    Mikael stand auf.
    »Früher oder später werden Sie mit mir reden müssen.«
    »Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
    »Martin ist tot«, sagte Mikael eindringlich. »Sie haben Martin nie gemocht. Ich glaube, Sie sind nicht nur nach London gezogen, um Ihren Vater nicht mehr sehen zu müssen, sondern auch, um Martin nicht mehr zu begegnen. Das bedeutet aber, dass Sie auch Bescheid wussten, und die Einzige, die es Ihnen erzählt haben kann, ist Harriet. Die Frage ist nur - was haben Sie mit diesem Wissen angefangen?«
    Anita Vanger knallte Mikael die Tür vor der Nase zu.
     
    Lisbeth lächelte Mikael zufrieden an, als sie ihn von dem Mikrofon befreite, das er unter seinem Hemd getragen hatte.
    »Dreißig Sekunden, nachdem wir draußen waren, hat sie den Hörer abgenommen«, sagte sie.
    »Die Vorwahl ist die von Australien«, verkündete Trinity und legte die Kopfhörer auf den kleinen Arbeitstisch im Lieferwagen. »Ich muss nur mal kurz den area code prüfen.« Er drückte ein paar Tasten auf seinem Laptop.
    »Okay, sie hat diese Nummer hier gewählt. Das ist ein Anschluss in einem Ort namens Tennant Creek, nördlich von Alice Springs in Australien, Northern Territory. Wollen Sie das Gespräch hören?«
    Mikael nickte. »Wie spät ist es jetzt in Australien?«
    »Ungefähr fünf Uhr morgens.« Trinity schaltete den Digitalspieler ein und schloss ein paar Lautsprecher an. Mikael hörte acht Mal das Freizeichen, bevor jemand den Hörer abnahm. Das Gespräch wurde auf Englisch geführt.
    »Hallo. Ich bin’s.«
    »Puuh, ich bin ja bestimmt kein Morgenmuffel, aber …«
    »Ich wollte gestern schon anrufen … Martin ist tot. Er hatte vorgestern einen Autounfall.«
    Schweigen. Danach etwas, das wie ein Räuspern klang, aber auch als »Gut« interpretiert werden konnte.
    »Aber wir haben ein Problem. Ein widerlicher Journalist, der von Henrik engagiert worden ist, hat gerade eben an meine Tür geklopft. Er will wissen, was 1966 geschehen ist. Irgendwas weiß er.«
    Schweigen. Dann eine resolute Stimme: »Anita. Leg jetzt auf. Wir dürfen eine Weile keinen Kontakt mehr haben.«
    »Aber …«
    »Schreib mir einen Brief. Erzähl mir, was passiert ist.« Danach brach das Gespräch ab.
    »Cleveres Mädchen«, sagte Lisbeth mit bewunderndem Unterton.
    Sie kamen kurz vor elf Uhr abends ins Hotel zurück. An der Rezeption war man ihnen dabei behilflich, Plätze für den nächstmöglichen Flug nach Australien zu buchen. Nach einer Weile hatten sie Plätze in einem Flugzeug, das erst am nächsten Abend um 19.05 Uhr nach Canberra, New South Wales, abfliegen würde.
    Als alle Details abgeklärt waren, zogen sie sich aus und fielen ins Bett.
     
    Lisbeth Salander war zum ersten Mal in London. Sie verbrachten den Vormittag damit, die Tottenham Court Road entlangzulaufen und durch Soho zu bummeln. In der Old Compton Street legten sie eine Pause ein und tranken einen Milchkaffee. Gegen drei gingen sie zum Hotel zurück, um ihr Gepäck zu holen. Als Mikael die Rechnung bezahlte, schaltete Lisbeth ihr Handy ein und bemerkte, dass sie eine SMS bekommen hatte.
    »Ich soll Armanskij zurückrufen.«
    Sie benutzte das Telefon an der Rezeption, um ihren Chef anzurufen. Mikael stand ein Stück von ihr entfernt und sah nur, wie Lisbeth ihn mit versteinertem Gesicht anblickte. Er war sofort bei ihr.
    »Was ist?«
    »Meine Mutter ist tot. Ich muss sofort nach Schweden zurück.«
    Lisbeth sah so verzweifelt aus, dass Mikael sie in den Arm nahm. Sie schob ihn von sich.
    In der Hotelbar tranken sie noch einen Kaffee. Als Mikael erklärte, er wolle die Tickets nach Australien

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