Verborgene Macht
Fehler. So ungeheuer dumm. Ich hätte es besser wissen sollen.«
»Besser als was?«, fragte sie benommen, aus dem Gleichgewicht gebracht.
Ranjit blickte zu ihr auf. »Ich hätte es nicht tun dürfen. Ich hätte mich niemals mit dir einlassen sollen, Jess!«
Sie prallte zurück, als habe er sie geschlagen.
Oh.
Gott.
Als er seinen Fehler begriff, überzog ein leidender Ausdruck sein Gesicht. Fast so leidend, wie ihrer. Als er eine Hand nach ihr ausstreckte, schlug sie sie weg.
»Cassie...«
»Du wirst mir nicht helfen«, sagte sie mit einer Stimme; die nicht ihr gehörte. »Du weißt nicht einmal, wer ich bin.«
»Cassie. Es tut mir so leid, ich ...«
»Ich werde allein damit fertig. Ich bin immer alleine mit allem fertig geworden. Leb wohl, Ranjit.«
Sie drehte sich um und stürzte aus dem Raum. Bevor die Tür zufallen konnte, fing er sie auf und rief ihr etwas nach. Sie hörte seine Stimme im Flur, aber es hätte genauso gut das Bellen eines Hundes sein können.
»Bitte! Es tut mir leid! Misch dich nicht ein, Cassie! Lass es! BITTE!«
KAPITEL 23
Sie konnte kaum richtig sehen. Irgendetwas musste ihren Blick trüben. Aber sie konnte nicht stehen bleiben, um sich die Augen zu reiben. Sie musste weiterrennen oder sie würde zusammenbrechen.
»Cassie, brrr!«
Sie prallte gegen ein Hindernis. Groß, fest, warm. Ein menschliches Wesen. Bücher klatschten zu Boden, und Arme legten sich um sie, damit sie nicht ebenfalls zu Boden ging.
»Verdammt noch mal, Cassie Bell.«
»Richard! Lass mich los!«
»Den Teufel werde ich tun. Du könntest mich auf deiner wilden Flucht niedertrampeln und töten.«
Sie befreite ihre Arme aus seinem Griff. »Verzieh dich.«
»Cassie, was ist los?«
»Als würde dich das interessieren. Geh mir aus dem Weg, oder Gott steh mir bei, ich werde ...«
»Hör mal, Cassie, wegen neulich Abend, als du mich draußen gesehen hast...«
»Ich sagte, verschwinde!« Sie stieß seine Hände weg, rieb sich heftig über das Gesicht und versuchte, gegen die Tränen anzukämpfen.
»Cassie, komm, erzähl mir, was passiert ist. Ich... ich weiß dass du heute die Ratsanhörung hattest.«
Cassie lachte ungläubig auf. »Was, ich soll Katerinas Schoßhund von meinen Problemen erzählen? Damit du loslaufen und es deiner Herrin erzählen kannst?«
»Cassie, mein Engel«, sagte er aalglatt und wirkte dabei nicht im Mindesten beschämt, »ich bin mit allen befreundet, und ich rede mit allen. Du hast gesehen, wie schwach ich im Vergleich zu den anderen bin. Es ist eine Überlebensstrategie. Ich werde mich nicht dafür entschuldigen.«
»Wie verdammt diplomatisch von dir.« Sie schniefte grimmig und versuchte, an ihm vorbeizugehen. Er wich keinen Zentimeter zurück.
»Nimm mein Taschentuch.« Er förderte es mit schwungvoller Gebärde zutage: Hermes — natürlich. Normalerweise hätte sie es nicht angenommen, aber dann fügte er augenzwinkernd hinzu: »Wisch dir um Gottes willen nicht die Nase am Ärmel ab, Stipendiatin.«
Sie schnaubte kräftig in die Seide.
»Was ist los, Cassie?«
»Hör mal, ich muss weiter, okay? Ich bin nicht hier, um die Gerüchteküche anzuheizen. Danke.« Sie drückte ihm das ruinierte Taschentuch in die Hand.
»Hey.« Etwas in seiner Stimme hatte sich vollkommen verändert. »Geht es um Jake?«
Er klang untypisch... ernst. Zögerlich drehte sie sich um und runzelte schwach die Stirn. »Ja.« Langsam und argwöhnisch ging sie zu ihm zurück. »Ja. Es geht um Jake. Was weißt du darüber?«
»Ich weiß, dass er verhaftet wurde. Das wissen alle.« Er zögerte und senkte dann die Stimme. »Katerina hat ihn verpfiffen, weißt du. Sie und ihre Mutter. Sie hat es mir erzählt. Sie haben ihm eine Spur aus Brotkrumen gelegt, bis er sich so tief in die Patsche geritten hatte, dass sie ihn verhaften lassen konnten. Er wird natürlich in die Sichere Stätte gehen, aber Sir Alric wird sich nicht lange täuschen lassen. Er wird Jake rausholen, du wirst schon sehen.«
Cassie grinste höhnisch. »Für jemanden, der mit allen redet, weißt du erstaunlich wenig darüber, was wirklich vor sich geht.«
»Was meinst du damit?« Zum ersten Mal wirkte Richard beklommen. »Du glaubst nicht, dass er in die Sichere Stätte gebracht wird?«
»Ich glaube es nicht nur, ich weiß es.«
»Was hast du gehört?«
»Ich beende jetzt dieses Gespräch.«
»Cassie!« Richards Stimme war todernst. »Was weißt du?«
»Die Lebende Erde.«, fuhr sie ihn zornig an. »Okay? Katerinas Mutter bringt
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