Verborgene Macht
ihn in irgendein Cottage, wo sie ihn an die Lebende Erde verfüttern kann.«
Sie wandte sich von ihm ab, aber wie der Blitz stand er wieder vor ihr und hielt sie am Arm fest. Sein Gesicht war leichenblass.
»Bist du dir sicher?«, flüsterte er entsetzt. » Das ist... davon hat Katerina nie gesprochen. Cassie, es tut mir so leid. Hör mal, wenn das wahr ist, denke ich ..., weiß ich vielleicht...«
Plötzlich brach er ab, versteifte sich und lächelte sie beglückt an.
»Also dann, Darling, wenn du das nächste Mal Streit mit dem Radscha hast, weißt du ja, wo du mich findest«, sagte er laut.
»Was?« Cassie riss die Augen auf. »Komm schon, Richard, was wolltest du sagen?«
»Oh nein, das wäre petzen.« Er hatte seine alte Lässigkeit wiedergefunden, aber dahinter lag etwas Neues. Cassie schaute sich um. Am Ende des Flurs standen Sara und eine andere Auserwählte. Sie musterten sie und Richard eingehend.
»Wenn du weißt, was los ist, Richard, dann sag es mir bitte«, murmelte sie zwischen zusammengepressten Zähnen.
»Hmm... man kann mich kaufen, aber ich bin schrecklich teuer.«
Sie starrte ihm in die Augen, konnte aber nichts mehr darin lesen. Er schien auf der Hut zu sein. Was war los mit ihm? In der einen Minute wollte er ihr helfen — wahrscheinlich aus einem schlechten Gewissen heraus -, in der nächsten war er wieder so undurchdringlich und schnippisch wie immer und wahrte vor diesen auserwählten Zicken das Gesicht.
Angst vielleicht. Oder er wollte seinen Hintern retten - das würde ihm ähnlicher sehen.
Er wusste etwas - so viel stand fest. Aber er würde es ihr nicht verraten, und sie hatte keine Zeit, mit ihm zu feilschen. Mit einer geringschätzigen Geste ließ sie ihn stehen.
»Cassie?«, rief er ihr nach.
»Was?«, blaffte sie und drehte sich um. »Verschwende nicht meine Zeit, Richard. Ich habe keine.«
»Das gehört dir.« Er drückte ihr ein Buch in die Hand und ging davon.
Trotz ihres inneren Aufruhrs sah sie das Buch verblüfft an. »Ich habe kein Buch fallen -«, rief sie ihm nach.
Zu spät. Er war bereits fort.
»Isabella, wir haben nicht viel Zeit. Komm, wir müssen herausfinden, wo sie Jake hinbringen.«
»Aber ich dachte, er sei in Gewahrsam beim...«
»Komm!« Cassie stopfte Richards Buch in ihre Tasche - sie konnte es ihm später zurückgeben -, dann packte sie mit einer Hand Isabella am Arm, griff mit der anderen Hand nach dem Kaschmir-Mantel ihrer Freundin und hielt ihn ihr hin. »Es ist schlimmer, als wir dachten.«
Isabella stopfte ihren Arm in den Mantelärmel. »O mein Gott, Cassie. Was ist los?«, fragte sie mit zittriger Stimme.
»Alles wird gut«, sagte Cassie, »wir müssen Jake nur so schnell wie möglich finden. Komm, wir müssen los.«
»Cassie - halt. Halt!« Isabella band sich ihren Schal um den Hals und schnappte sich ihr Handy und ihr Geld vom Nachttisch. »Du redest Unsinn!«
»Du hast recht«, gab Cassie zu. »Aber ich muss nachdenken und hier kann ich keinen klaren Gedanken fassen. Lass uns verschwinden.«
»Okay, okay, lass uns gehen. Dann kannst du mir alles erzählen.«
Während sie die Feuertreppe hinunterhasteten, murmelte Cassie ein stilles Dankgebet. Wie gut, dass ihre Freundin solch einen Sinn fürs Praktische hatte. Isabella wusste nicht, was Cassie vorhatte, aber sie verschwendete keine Zeit mit Fragen. Sie vertraute Cassie. Gott, fühlte sich das gut an. Vor allem nach Ranjits Verrat... Cassie schauderte bei dem Gedanken, rief sich jedoch gleich selbst wieder zur Ordnung.
»Sobald wir das Gebäude verlassen haben, können wir anfangen Pläne zu schmieden. Ich will nur auf keinen Fall in der Nähe der Auserwählten sein. Ich vertraue keinem einzigen von ihnen.«
»Was ist mit Ran...«
»Keinem einzigen.«
Als sie die frostige Luft draußen auf der Straße einatmete, schlug eine Welle der Erleichterung über Cassie zusammen. Dem Himmel sei Dank. Sie hatte gedacht, sie müsse ersticken.
»Also, Cassie. Spuck’s aus!«, keuchte Isabella, während sie sich mit schnellen Schritten von der Akademie entfernten. »Erzähl mir alles.«
Sie brauchte nicht lange, um ihr eine Zusammenfassung der Ratssitzung zu geben. Schweigend hörte Isabella zu, aber Cassie konnte spüren, wie sie vor Wut schäumte. Als sie auf Jakes Urteil zu sprechen kam, sog Isabella scharf die Luft ein.
»Aber sie ... das ist...! Sie können niemanden einfach lebenslänglich einsperren - das ist unmöglich.«
»Oh doch, sie können«, erwiderte Cassie grimmig.
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