Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verbotene Früchte im Frühling

Titel: Verbotene Früchte im Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
Vom Netzwerk:
und goldbemalten Zierleisten. Vier schwere Spiegel hatten eine ganze Wandbreite eingenommen, Spiegel, die größer waren als alle, die Matthew bisher gesehen hatte.
    Zwei der Söhne waren auch anwesend gewesen, beide stämmige junge Männer, von denen jeder fast doppelt so viel wog wie Matthew. Mercedes und Thomas Bowman hatten die Plätze an entgegengesetzten Enden der Tafel eingenommen. Die beiden Töchter, Lillian und Daisy, hatten auf einer Seite gesessen und ihre Teller und Stühle vorsichtshalber eng zusammengerückt.
    Thomas Bowman pflegte ein streitbares Verhältnis zu seinen beiden Töchtern, indem er sie entweder ignorierte oder sie heftig kritisierte. Lillian, die ältere, reagierte darauf mit störrischem Eigensinn.
    Anders die fünfzehnjährige Daisy, die ihrem Vater einen beinahe heiteren Gleichmut entgegenbrachte, was ihn in fast unerträglichem Maße zu ärgern schien. Matthew hätte am liebsten darüber gelächelt. Mit ihrer durchscheinend wirkenden Haut, den fremdartig geschnittenen, zimtbraunen Augen und den fließenden Bewegungen schien sie geradewegs aus einem verzauberten Wald zu kommen, der bevölkert war von mystischen Wesen.
    Rasch hatte Matthew gemerkt, dass jedes Gespräch, an dem Daisy beteiligt war, sich in unerwartete Richtungen zu bewegen schien. Insgeheim hatte er sich amüsiert, als Thomas Bowman Daisy in aller Öffentlichkeit für ihren letzten Streich gescholten hatte. Wie es schien, war das Haus vor Kurzem von einer Schar Mäuse heimgesucht worden, weil die aufgestellten Fallen nicht funktioniert hatten.
    Einer der Dienstboten hatte berichtet, dass Daisy nachts durchs Haus geschlichen sei und alle Fallen umgekippt habe, sodass keine Maus ihr Leben verlieren konnte.
    „Stimmt das, Tochter?“, hatte Thomas Bowman gefragt und Daisy mit zornblitzenden Augen angesehen.
    „Das könnte sein“, erwiderte sie. „Aber es gibt noch eine andere Erklärung.“
    „Und die wäre?“, hatte Thomas Bowman ungeduldig gefragt.
    Ihr Tonfall wurde feierlich. „Ich denke, wir beherbergen die klügsten Mäuse in ganz New York.“
    Von dem Augenblick an hatte Matthew nie mehr eine Einladung ins Haus der Bowmans ausgeschlagen, nicht nur, um dem alten Herrn eine Freude zu bereiten, sondern auch, um Daisy wiederzusehen. Er hatte sie so oft heimlich beobachtet, wie es nur ging, wohl wissend, dass es mehr als das für ihn nicht geben würde. Und die Zeit, die er in ihrer Gesellschaft verbracht hatte, war, ungeachtet ihrer kühlen Höflichkeit, die einzige in seinem Leben, in der er beinahe glücklich gewesen war.
    Ohne seine besorgten Gedanken zu zeigen, ging Matthew weiter in die Tiefen des Hauses hinein. Er war noch nie zuvor im Ausland gewesen, aber genau so hatte er sich England vorgestellt, mit den gepflegten Gärten, den grünen Hügeln dahinter und dem malerischen Dorf zu Füßen des großen Landsitzes.
    Sowohl das Haus als auch seine Einrichtung waren alt und gemütlich, aber in jeder Ecke schien eine kostbare Vase zu stehen, eine Statue oder ein Gemälde, wie er sie bisher nur in kunsthistorischen Büchern gesehen hatte. Es mochte hier ein wenig zugig sein im Winter, aber mit all den Kaminen, den dicken Teppichen und Samtvorhängen konnte man kaum davon ausgehen, dass es ein leidvolles Schicksal war, hier zu leben.
    Als Thomas Bowman, oder vielmehr sein Sekretär, ihm mitgeteilt hatte, dass Matthew sich in England um eine Außenstelle der Seifenfabrik kümmern sollte, war Matthews erster Impuls gewesen, dieses Angebot abzulehnen.
    Die Herausforderung und auch die Verantwortung hätten ihm gefallen. Aber sich in der Nähe Daisy Bowmans aufhalten zu müssen – und wäre es auch nur im selben Land – schien zu viel für Matthew zu sein. Ihre Gegenwart stak wie ein Pfeil in seiner Brust und versprach eine Zukunft endlosen unbefriedigten Begehrens.
    Es waren die letzten Zeilen des Briefes, bei denen es um das Wohlergehen der Familie Bowman ging, die Matthews Aufmerksamkeit erregten.
    „Es gibt insgeheim Zweifel“, hatte der Sekretär geschrieben, „dass es der jüngeren Miss Bowman gelingen wird, einen passenden Gentleman zum Heiraten zu finden. Daher hat Mr. Bowman beschlossen, sie nach New York zurückzubringen, wenn sie bis zum Ende des Frühlings nicht verlobt ist …“
    Das hatte Matthew in eine Zwickmühle gebracht. Wenn sie nach New York zurückkehrte, würde er nach England gehen können. Er würde die Stellung in Bristol annehmen und abwarten, ob es Daisy gelang, einen Ehemann zu

Weitere Kostenlose Bücher