Verbotene Früchte im Frühling
den Gesprächen zu, die andere Hälfte ihrer Aufmerksamkeit war auf die Tür gerichtet.
Als die beiden Männer endlich im Speisesaal erschienen, frisch gewaschen und umgezogen nach der Reise, klopfte Daisys Herz so schnell, dass sie kaum zu atmen vermochte.
Matthew ließ den Blick über die Gesellschaft gleiten und tat es dann Westcliff nach, der sich verbeugte. Beide wirkten gefasst und bemerkenswert frisch. Man könnte glauben, dass sie nur sieben Minuten fort gewesen waren anstatt sieben Tagen.
Ehe er seinen Platz am Kopf der Tafel einnahm, ging Westcliff zu Lillian. Da der Earl sich in der Öffentlichkeit immer sehr zurückhaltend zu benehmen pflegte, erstaunte es jeden, Lillian eingeschlossen, dass er ihr Gesicht mit beiden Händen umfasste und sie voll auf den Mund küsste. Sie errötete und bemerkte etwas über die Gegenwart des Pastors und brachte Westcliff damit zum Lachen.
In der Zwischenzeit nahm Matthew den leeren Platz neben Daisy ein. „Miss Bowman“, sagte er leise.
Daisy brachte kein Wort heraus. Sie blickte ihm in die Augen, in denen ein Lächeln lag, und spürte die Wärme, die von ihm ausging. Sie musste den Blick abwenden, ehe sie irgendetwas Dummes tun konnte. Doch die ganze Zeit über war ihr bewusst, wie nahe sein Körper dem ihren war.
Westcliff und Matthew unterhielten die Gesellschaft mit einem Bericht darüber, wie ihre Kutsche im Schlamm stecken geblieben war. Zum Glück hatte ihnen ein Farmer geholfen, der mit seinem Ochsenkarren vorüberkam, aber während sie damit beschäftigt waren, den Wagen freizubekommen, waren alle Beteiligten von Kopf bis Fuß mit Schlamm bespritzt worden. Und allem Anschein nach hatte die Episode den Ochsen in eine ausgesprochen schlechte Stimmung versetzt. Als die Geschichte zu Ende war, lachten alle am Tisch.
Dann wandte sich das Gespräch dem Shakespeare-Festival zu, und Thomas Bowman berichtete von seinem Besuch in Stratford-on-Avon. Matthew stellte eine oder zwei Fragen und schien sich ganz auf das Gespräch zu konzentrieren.
Plötzlich erschrak Daisy, als sie unter dem Tisch seine Hand auf ihrem Schoß fühlte und er behutsam ihre Finger umschloss. Und dabei mischte er sich weiterhin ins Gespräch ein, plauderte und lächelte. Mit der freien Hand griff Daisy nach ihrem Weinglas und hob es an die Lippen. Sie nahm einen Schluck, dann noch einen und verschluckte sich um ein Haar, als Matthew unter dem Tisch ihre Finger liebkoste. All die Gefühle, die sie eine Woche lang unterdrückt hatte, erwachten wieder mit aller Heftigkeit zum Leben.
Noch immer ohne sie anzusehen, schob Matthew behutsam etwas über ihren Ringfinger, am Fingerknöchel vorbei bis ganz nach unten. Dann ließ er ihre Hand los, als der Lakai herankam, um die Weingläser aufzufüllen.
Daisy blickte hinunter auf ihre Hand und blinzelte, als sie den funkelnden gelben Saphir sah, der von kleinen runden Diamanten umgeben war. Es sah aus wie eine Blüte mit weißen Blütenblättern. Sie schloss die Hand zur Faust und wandte sich ab, damit niemand sah, wie sie vor Freude errötete.
„Gefällt er dir?“, flüsterte Matthew.
„O ja.“
Weiter reichte ihr Gespräch beim Dinner nicht. Aber das war egal. Es gab zu viel zu besprechen, und alles war sehr persönlich. Daisy wappnete sich für die üblichen langen Rituale mit Portwein und Tee nach dem Dinner, doch es schien, als wollten alle, ihr Vater eingeschlossen, sich früh zurückziehen. Der schon etwas betagte Pastor und seine Frau wollten nach Hause gehen, und so löste sich die Gruppe ohne weitere Förmlichkeiten auf.
Während er mit Daisy zusammen den Speisesaal verließ, murmelte Matthew: „Muss ich heute Nacht über die Außenmauer klettern, oder lässt du die Tür offen?“
„Die Tür“, erwiderte Daisy lapidar.
„Welch Glück.“
Etwa eine Stunde später drückte Matthew die Klinke von Daisys Schlafzimmertür nach unten und schlich sich hinein. Der kleine Raum wurde beleuchtet von einer Lampe auf dem Nachttisch, deren Flamme im Zug der Brise, die vom Balkon hereinkam, flackerte.
Daisy saß im Bett und las, das Haar ordentlich zu einem Zopf geflochten, der ihr über die Schulter hing. Sie trug ein schlichtes weißes Nachthemd mit eingearbeiteten Rüschen vorn und wirkte so rein und unschuldig, dass Matthew einen Anflug von Schuldbewusstsein empfand, weil er zu ihr kam, während ein so glühendes Verlangen in seinen Adern pochte. Doch als sie von ihrem Buch aufsah, wirkten ihre dunklen Augen einfach unwiderstehlich, und
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