Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
reinigen“, sagte Hope beängstigend emotionslos. Sie riss Glory hoch, entkleidete sie grob, zerrte sie zur Wanne und zwang sie, in das dampfende Wasser zu steigen.
Glory schrie, ihre Mutter drückte sie nieder. „Das ist nichts, verglichen mit dem Brennen des Höllenfeuers. Denk daran, Tochter.“
Hope beugte sich hinunter und durchsuchte den Korb neben der riesigen Marmorwanne. Sie holte eine Nagelbürste. „Ich werde dich reinigen“, wiederholte sie. „Wenn nötig, schrubbe ich dir das Fleisch von den Knochen. Du wirst rein sein, Tochter.“
Die nächsten Minuten waren ein Albtraum. Ihre Mutter bürstete sie grob zwischen geflüsterten Gebeten und lauten Wutausbrüchen. Glory erkannte biblische Passagen, in die Hope Worte einflocht, die sie nie zuvor gehört hatte. Es entstanden zusammenhanglose, beängstigende Gedanken, die sie nicht verstand. Ihre Mutter redete immer wieder von böser Saat und Sünde, von Finsternis und Licht, sie sprach von Glorys Geburt, von „Dem Bösen“ und einer Mission.
Glorys Haut brannte, ihre zartesten Stellen bluteten. Ihr war heiß, doch sie zitterte vor Kälte. Taubheit breitete sich allmählich aus und linderte die Schmerzen. Ihr Schluchzen wurde zum Wimmern, das Wimmern zum stillen Schaudern der Verzweiflung.
Nachdem Glory schließlich nicht mehr sitzen konnte, zerrte Hope sie aus der Wanne, trocknete sie grob ab, zog ihr ein schlichtes Baumwollnachthemd über und führte sie zur Ecke in ihrem Schlafzimmer. Dort zwang sie sie, sich hinzuknien.
„Du musst das Böse in deinem Verhalten erkennen.“ Sie packte Glorys Schultern mit den Händen. „Du musst das Böse erkennen und deine Torheit, dass du seinem Ruf gefolgt bist.“
Zitternd hob Glory den Blick zum Gesicht ihrer Mutter. Es verschwamm vor ihren Augen.
„Das Böse wird dich nicht bekommen, Glory Alexandra St. Germaine. Verstehst du mich? Ich werde nicht zulassen, dass es dich beherrscht.“
Ohne ein weiteres Wort verließ ihre Mutter das Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.
11. KAPITEL
Glory hatte keine Ahnung, wie lange sie in der Ecke kniete, erstarrt vor Schock und Trauer und vor Angst, ihre Mutter könnte mit einem weiteren Wutausbruch über sie herfallen, sobald sie sich nur bewegte.
Ihre Haut brannte wie Feuer. Der Holzboden quetschte ihre Knie, ihr Rücken schmerzte und ihr Kopf pochte.
Doch am meisten schmerzte ihr Herz.
Ihr Vater kam nach ihr sehen, nicht ihre Mutter. Schweigend nahm er sie auf und trug sie zum Bett. Er setzte sich auf die Bettkante, wiegte sie in den Armen und murmelte liebevolle, tröstende Worte.
Glory sank gegen ihn, zu schwach, für irgendetwas anderes. Sie hätte ihm gern gesagt, dass es ihr Leid tat, dass sie kein böses Mädchen hatte sein wollen, doch sie konnte ihren Mund nicht dazu bringen, die Worte zu formen. Genauso wenig, wie sie weinen konnte, obwohl ihr zum Heulen war. Ihre Tränen waren schon vor Stunden versiegt.
Im Raum wurde es dunkel, und ihr Vater wiegte sie immer noch. Glory presste die Augen zu und wünschte, das Bild ihrer wutentbrannten Mutter und den Ausdruck ihrer Augen, der sie zu Tode erschreckt hatte, zu löschen.
Und später, sehr viel später, als sie allein und – bis auf die kleine Leuchte, die ihr Vater für sie angelassen hatte – im Dunkeln lag, wünschte sie, die zornigen Stimmen ihres Vaters und ihrer Mutter ausblenden zu können.
Glory zog sich die Decke über den Kopf. Sie hatte noch nie gehört, dass sich die beiden so anschrien, wie sie es heute taten. Obwohl sie fast nichts verstand, hörte sie mehrfach ihren Namen. Dann hörte sie ihren Vater Scheidung sagen und ihre Mutter daraufhin lachen.
Glory verbarg das Gesicht im Kissen, und ihre Schuldgefühle überlagerten ihren körperlichen Schmerz. Sie war schuld am Streit ihrer Eltern. Wenn sich ihre Eltern scheiden ließen, war auch das ihre Schuld. Sie war schuld, dass die freundliche Mrs Cooper gefeuert wurde. Und es war ihre Schuld, dass Danny geweint hatte.
Alles war ihre Schuld. Sie hatte ihre Mutter angelogen wegen Danny. Sie hatte behauptet, es sei seine Idee gewesen, sich das Buch anzusehen und sich die Hose herunterzuziehen.
Glory holte zittrig Atem. Sie hatte Danny versprochen, dass alles in Ordnung gehen und sie nicht erwischt werden würden.
Aber man hatte sie erwischt, und dann hatte sie auch noch gelogen.
Sie war böse und sündig, genau wie ihre Mutter gesagt hatte. Sie konnte es Danny nicht verübeln, wenn er nie mehr ihr Freund sein
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