Verbotene Früchte - Spindler, E: Verbotene Früchte
wollte.
Die übrigen Hausangestellten wollten auch nicht mehr ihre Freunde sein, wie sie am nächsten Morgen erfuhr, als sie allein am Frühstückstisch saß. Sie kamen und gingen schweigend, den Blick abgewandt oder zu Boden gerichtet. Wenn sie ihr zufällig in die Augen sahen, schauten sie rasch wieder weg.
Den Tränen nahe, schlang Glory die Arme um sich. Gewöhnlich scherzten und lachten die Hausangestellten mit ihr. Das war vorbei. Die wussten alle, dass sie gelogen hatte, dass sie für Mrs Coopers Rausschmiss verantwortlich war. Die mochten sie nicht mehr, weil sie glaubten, dass sie böse war.
Glory blickte auf ihren Teller mit gebratenem Ei, und der Magen tat ihr weh. Die Arme fest um sich gelegt, musste sie daran denken, wie Danny sie angesehen hatte. Er war ihr Freund gewesen. Er hätte nie gelogen, um sich selbst zu retten. Sie hatte ihn verraten.
Sie ließ den Kopf hängen und erinnerte sich an die gemeinsamen Spiele, wie er sie zum Lachen gebracht hatte, wenn sie traurig gewesen war. Sie dachte auch daran, dass Mrs Cooper ihr immer einen Imbiss gebracht hatte, wenn sie wegen der Bestrafungen durch ihre Mutter eine Mahlzeit auslassen musste. Zwei Tränen kullerten ihr über die Wangen. Was sie getan hatte, war falsch gewesen. Sie wollte ihre Mutter bitten, dass die beiden zurückkommen durften.
Jetzt hörte sie ihre Mutter im Foyer. Sie kehrte von der Morgenmesse zurück. Sie wischte sich die Tränen ab. Wenn sie ihrer Mutter sagte, dass Danny keine Schuld traf, würden er und Mrs Cooper sicher zurückkommen dürfen. Sicher würde Mama die beiden nicht für die Schuld ihrer Tochter strafen wollen.
Glory straffte sich. Ich muss nur zu Mama gehen und ihr die Wahrheit sagen.
Sie begann zu zittern, als sie an den Wutausbruch ihrer Mutter und an die Bestrafung dachte. Sie hörte noch das Schnarren ihrer Stimme, als sie über das Böse und die Sünde gepredigt hatte.
Ihre Mutter bestrafte sie vielleicht erneut.
Glory sank wieder in den Stuhl und machte sich ganz klein. Vielleicht sollte sie zuerst mit Daddy reden. Er konnte dann mit Mama sprechen, dass sie Mrs Cooper wieder einstellte.
Glory dachte an den Streit ihrer Eltern. Daddy hatte von Scheidung gesprochen. Sie kniff die Augen zu. Was sollte sie tun, falls ihre Eltern sich scheiden ließen? Sie wusste, wie so was ablief. Sie würde bei ihrer Mutter leben müssen. Wie sollte sie das aushalten?
Sie straffte sich wieder. Ängstlich zwar, beschloss sie, die Sache nicht zuerst mit Dad zu besprechen. Sie musste mit Mama reden. Wenn sie jetzt kniff, würde sie Danny und Mrs Cooper nie wieder sehen.
Glory schluckte trocken. Mit wildem Herzklopfen glitt sie vom Stuhl und schlich zur Tür. Vorsichtig spähte sie ins Foyer. Es war leer. Sie hatte jedoch eine Ahnung, wo ihre Mutter war. Jeden Morgen nach der Messe trank sie eine Tasse Tee im Gartenzimmer und las die Zeitung.
Tatsächlich fand sie sie dort. Glory blieb unsicher an der Tür stehen. Ihre Mutter sah hübsch aus. Das Sonnenlicht milderte die Strenge ihrer Züge und ließ die weiße Spitzenbluse wie ein Engelshemd strahlen.
Sie sieht aus wie ein Engel, dachte Glory und bekämpfte ihre Angst. Ein Engel mit dunklen Haaren.
„Mama?“ sagte sie leise mit zittriger Stimme.
Ihre Mutter blickte auf, und das himmlische Bild löste sich auf. Ihre Augen hatten nicht jenen fiebrigen Glanz verloren, und der Mund war zu einer schmalen, harten Linie gepresst. Glory hielt kurz den Atem an und wich unwillkürlich zurück.
Hope wirkte ungeduldig. „Was ist, Glory?“
Glory verkrampfte die Finger ineinander, dass die Knöchel weiß hervortraten. „Darf ich … darf ich mit dir sprechen, bitte?“
Ihre Mutter zögerte einen Moment, nickte dann und faltete die Zeitung zusammen. Danach sah sie Glory wieder in die Augen. „Du darfst.“
„Mama“, begann sie bebend, „ich wollte … ich muss …“ Sie räusperte sich. „Mama, ich habe dich angelogen.“ Ihre Mutter zog schweigend die Brauen hoch, und Glory fuhr fort: „Ich habe wegen Danny gelogen. Es war nicht seine Idee, das Buch zu nehmen und es sich anzusehen. Es war meine.“
Ihre Mutter schwieg weiter. Tränen stiegen Glory in die Augen. „Ich will, dass du weißt, dass alles meine Schuld war.“
„Verstehe.“
Der Ton verriet Missfallen und Enttäuschung, und Glory senkte den Kopf. „Es tut mir Leid, Mama. Ich schäme mich.“
Ihre Mutter führte die Teetasse an die Lippen, nippte und stellte sie auf den zarten Unterteller zurück.
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