Verbotene Gefühle - prickelnd wie Champagner
erleben müssen. Angela, das musste Erica ihr lassen, liebte Walter aufrichtig. Sie wollte nichts weiter, als Walter glücklich zu machen, und hatte anfangs sogar versucht, eine gute Beziehung zu Erica aufzubauen. Aber sie hatte nichts Mütterliches an sich, und Erica war damals schon zu alt gewesen, um sich von einer Frau, die nicht ihre Mutter war, etwas sagen zu lassen. So waren sie sich eigentlich nie richtig nahegekommen. Und das wird sich nach den jüngsten Ereignissen ganz sicher nicht ändern, dachte Erica, als sie sich das letzte Gespräch wieder ins Gedächtnis zurückrief.
„Du tust deinem Vater damit sehr weh“, hatte Angela leise, aber sehr missbilligend gesagt. „Eine solche Behandlung hat er nicht verdient.“
„Aber Angela, ich möchte doch nur herausfinden, wer ich wirklich bin“, hatte Erica geduldig argumentiert.
„Und du glaubst, dein Vater sei dagegen?“
„Willst du damit sagen, dass er einverstanden ist?“
Angela stieß einen tiefen Seufzer aus und schüttelte frustriert den Kopf. „Bist du nie auf die Idee gekommen, dass sich unter seinem abweisenden Äußeren ein sensibler Mann verbergen könnte?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr sie fort: „Das wird dir eines Tages noch leidtun, meine Liebe. Denn dann wirst du feststellen, dass Walter dich liebt. Don Jarrod ist lediglich dein biologische Vater. Walter ist derjenige, bei dem du aufgewachsen bist.“
Hatte sie recht? Oder verteidigte sie bloß ihren Mann, wie sie es immer tat? Doch egal, Erica musste tun, was sie für richtig hielt. „So bin ich jetzt wohl ganz auf mich allein gestellt“, sagte sie leise. „Aber vielleicht wird das auch allerhöchste Zeit.“
Dies war ohne Zweifel das größte Abenteuer, auf das sie sich bisher in ihrem Leben eingelassen hatte. Nach dem Examen war sie nicht wie ihre Freunde mit dem Rucksack durch Europa gezogen, hatte sich nicht ein Jahr freigenommen, um „sich selbst zu finden“. Nein, sie hatte das getan, was von ihr erwartet wurde. Sie hatte sich in einer ordentlichen Firma einen Job gesucht und angefangen, sich ein respektables Leben aufzubauen. Nie hatte sie über die Stränge geschlagen, war immer das brave Mädchen gewesen, das sich angemessen verhielt. Und alles nur, weil sie sich nach der Anerkennung und der Liebe des Vaters gesehnt hatte.
Nun ja, jetzt sah es so aus, als würde sie sich endlich freischwimmen. Schließlich flog sie fast ans andere Ende des Kontinents, um mit Menschen zusammenzuleben, die sie nicht kannte, und in der Leitung einer Hotelanlage mitzuarbeiten, die sie noch nie gesehen hatte. Es war verrückt und ergab eigentlich überhaupt keinen Sinn. Im Grunde müsste sie in Panik sein. Aber sie war es nicht.
Im Gegenteil. Erica blickte aus dem Fenster und betrachtete neugierig die unter ihr vorüberziehenden Landschaften. Ihr Magen kribbelte vor Aufregung. Alles war neu und spannend. Nur wenige Menschen hatten die Chance, ihr Leben total umzukrempeln und noch einmal von ganz vorn anzufangen. Und sie würde diese Chance nutzen. Endlich hatte sie die Gelegenheit herauszufinden, wer sie wirklich war. Und wenn sie das wusste, würde sie wieder auf Walter Prentice zugehen, aber diesmal nicht unterwürfig und zurückhaltend, sondern hoch erhobenen Hauptes.
Sie griff nach ihrer Kaffeetasse und trank einen Schluck. In dem Flugzeug war es erstaunlich ruhig. Dennoch hatte sie keine Lust, einen Film zu sehen oder Musik zu hören. Dazu war sie viel zu nervös. Immer wieder musste sie daran denken, wie die Jarrods sie wohl empfangen würden. Als Freunde oder als Feinde? Oder, schlimmer noch, gleichgültig und kühl?
Glücklicherweise wurde sie von der Stimme des Piloten in ihren trüben Gedanken unterbrochen. „Ms Prentice, bitte, vergewissern Sie sich, dass Sie angeschnallt sind. Wir beginnen jetzt den Anflug auf Aspen. In etwa zwanzig Minuten werden wir landen.“
Plötzlich klopfte ihr das Herz wie verrückt. In zwanzig Minuten würde ihr neues Leben beginnen!
Christian erwartete sie auf dem Rollfeld. Er sah vollkommen anders aus als noch vor wenigen Tagen in San Francisco. Das lag zum einen daran, dass er keinen Anzug trug. Obgleich auch der ihm fantastisch stand. Aber das war nichts im Vergleich zu diesem Aufzug. Die dunkelblaue Jeans, die in halbhohen schwarzen Stiefeln steckte, umschloss eng die schmalen Hüften. Der rote Pullover betonte seine breiten Schultern, und das schwarze kurz geschnittene Haar war vom Wind zerzaust. Dazu lehnte er in lässiger
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