Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
mich«, unterbrach Joanna, »ich glaube, Lady Cecily möchte mit mir reden!« Sie ließ Belinda einfach stehen und begab sich zu Lady Cecily, die natürlich nichts von ihr gewollt hatte, aber sie sogleich aufgeregt bat, Edward von diesem tollkühnen Unternehmen abzubringen. Joanna hörte zerstreut zu. Jedesmal, wenn sie sich mit Belinda unterhalten hatte, brauchte sie einige Zeit, um sich wieder zu beruhigen. Sie war in der letzten Zeit so nervös und bissig geworden, daß sanftere Personen als Belinda sie hätten zur Raserei bringen können. Sie wußte genau, daß das an Edward lag. Er reizte ihren Zorn jede Stunde mehr. Immer stärker schien er zu einem Schatten zu werden, nicht äußerlich, aber in seiner Art zu leben, zu reden und sich zu bewegen.
Es hatte damals nach der Hochzeit nicht allzu lange gedauert, bis er begriff, daß Joanna ihn aus allen möglichen Gründen geheiratet haben mochte, aber jedenfalls nicht deshalb, weil sie ihn liebte. Er reagierte darauf, indem er sich immer weiter von ihr zurückzog und sie oftmals nur lange schweigend und traurig ansah. Das ließ sie wiederum besonders wütend werden, und oft dachte sie, daß sie viel stärker für ihn empfinden würde, wenn er
sie einmal anschrie oder einfach nur wutentbrannt das Haus verließe. Aber seine feuchten Augen machten sie nur ganz elend.
Am Abend, als alle Gäste gegangen waren und Joanna und Edward unter dem sanftblauen Abendhimmel durch den Park schlenderten, fragte sie ihn, ob er wirklich mit Nelson gegen die Franzosen und Spanier segeln wolle. Er nickte entschlossen.
»Unter allen Umständen«, sagte er, »übermorgen reisen Arthur und ich nach Portsmouth.«
»Ich finde es von Arthur verantwortungslos«, meinte Joanna, »nun, da Belinda gerade das kleine Kind hat.«
Edward sah sie spöttisch an.
»Seit wann bist du so besorgt um Belinda?«
»Das bin ich gar nicht. Im Grunde können sie und Arthur machen, was sie wollen.«
»Und ich kann das auch?«
Joanna blieb stehen.
»Frage mich doch geradeheraus, was du wissen möchtest«, verlangte sie, »rede nicht immer um alles herum!«
»Nun gut. Ich möchte wissen, warum du versuchst, mich von der Reise abzuhalten. Weil meine Mutter dich darum gebeten hat? Oder weil...«
»Weil ich selber es will? Natürlich mache ich mir Sorgen um dich. Und ich wundere mich. Du hast mir einmal erklärt, du seist völlig unfähig, einen Menschen zu töten, und nie würdest du in einen Krieg ziehen wollen! Aber jetzt willst du genau das tun!«
»Ja, ich habe mich etwas geändert. Meine Ansichten sind dieselben. Aber mich sehe ich anders. Es ist ein Abenteuer, nichts weiter. Und ich habe nichts dabei zu verlieren.«
»Nur dein Leben.«
»Soviel bedeutet mir das nicht.«
»Was erwartest du jetzt von mir? Manchmal erinnerst du mich viel zu sehr an meine Mutter. Vielleicht liegt es an mir, aber in meiner Gegenwart scheint jeder zum Märtyrer zu werden!«
Edwards Gesicht verzerrte sich, für einen Moment verlor es seine gewohnte Maske der Traurigkeit.
»Es liegt an dir«, sagte er heftig. »Du weist die Menschen zurück,
als seien sie widerliche, zudringliche Kreaturen, deren du dich verzweifelt erwehren müßtest! Und dann gibt es einige wenige, an die klammerst du dich mit einer Unvernunft, daß ich es einfach nicht begreifen kann!«
Joanna blickte ihn entgeistert an. Er war zornig, und seine Augen funkelten, wie sie es noch nie an ihm gesehen hatte.
»Du hättest es verdient, einmal ganz ohne Menschen dazustehen, die dich lieben«, fuhr er fort, »damit du begreifen könntest, wie das ist! Irgend etwas oder irgend jemand müßte dich einmal deiner ganzen ewigen Selbstbemitleidung berauben!«
»Was weißt du denn schon?« gab Joanna erschüttert zurück. »Du kennst mich doch überhaupt nicht!«
»Vielleicht bist du aber auch gar nicht so geheimnisvoll, wie du immer denkst«, sagte Edward, aber damit ging der Streit bereits weit über seine nervlichen Kräfte, und er lief rasch ins Schloß zurück.
Zwei Tage später, als am frühen Morgen die Kutsche vorfuhr, die Edward nach Portsmouth bringen sollte, fühlte sich Joanna sehr elend.
Sie hielt Lady Cecilys Hand, die tapfer und ruhig blieb, und ignorierte Harriets Schluchzen aus dem Hintergrund. George, inzwischen fünfzehn Jahre alt und voller Unternehmungsgeist, glühte vor Neid.
»Bitte, Edward, nehmen Sie mich mit«, flehte er bereits zum hundertstenmal, woraufhin ihn Harriet anfuhr:
»Sei still! Es reicht, wenn Edward etwas so
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