Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Scheußliches tut! Ich will nicht noch meinen einzigen Sohn verlieren!«
»Mich verliert ihr jedenfalls nicht«, sagte Edward mit heiterer Miene. »Wenn wir Villeneuve und Gravina in der Meerestiefe versenkt haben, kehren wir glorreich und gefeiert zurück!« Er legte seinen Arm um Joanna und küßte sie.
»Leb wohl«, murmelte er, »und mach dir keine Sorgen.«
»Sei vorsichtig«, entgegnete Joanna, »es lohnt sich nicht, ein Held zu sein.«
»Für England schon...« Er blickte sie aus ernsten, unergründlichen Augen an, und sie wußte, daß er es nicht so meinte. In
manchem waren sie sich gleich. Weswegen auch er in den Krieg zog, für England tat er es nicht. Das Vaterland bedeutete ihnen nicht ihr Leben. England war schön, Norfolk war so schön, daß einen der Anblick eines Spätsommertages völlig verzaubern konnte, so wie heute, wenn der Morgen feucht und salzig hinter den Dünen aus dem Meer hervorstieg und jedes grüne Blatt, jede feuerfarbene Blume sich scharf gegen den dunkelblauen Himmel abhob, wenn die Möwen schreiend ihre Kreise zogen. Hierfür zu kämpfen, könnte einen hohen Preis vielleicht wert sein, aber warum sterben für ein Land, für einen König, für eine Politik, für das Ansehen Großbritanniens auf den Weltmeeren? Was tat denn das Land für sie? Wenn Edward nun fiel, was bekam schon seine Witwe dafür, oder seine Kinder, hätte er welche! Den Ruhm hätte sie, die Frau eines Mannes zu sein, der auf der Victory, neben Horatio Nelson kämpfend, gefallen war, aber was sollte sie mit einem Ruhm, den sie selber nicht als solchen empfand. Vielleicht war Elizabeth an dieser Haltung schuld, weil sie stets gespottet hatte über den englischen Patriotismus, aber es kam ihr wirklich lächerlich vor. So glanzvoll und großartig war dieses Land nicht, als daß es sich gelohnt hätte, sein Blut dafür zu vergießen.
Etwas verachtungsvoll sah Joanna zu Harriet hin, die bei Edwards letzten Worten sofort ein wenig getrösteter aussah. Natürlich, ihre Mutter war beeindruckt von solchen Sätzen. Solange es Frauen wie sie gab, konnte ein Land seine Männer mit Leichtigkeit in den Krieg jagen, und die Männer würden freudig davonziehen.
In den nächsten Tagen erschien beinahe jeden Nachmittag Belinda bei Joanna, um sich auszujammern. Sie fühlte sich einsam, denn sie war es überhaupt nicht gewohnt, allein zu sein. Ihre Mutter, Lady Viola, sowie alle ihre Freunde waren bereits für die Wintersaison nach London gereist, aber Belinda hatten sie nicht mitgenommen, weil sie es für unschicklich hielten, wenn sich eine Frau amüsierte, während ihr Mann im Krieg war. Nun saß sie, umgeben von ein paar Dienstboten und der Pracht ihres Schlosses, allein herum und beklagte ihr Schicksal. Sicher würde
sie bald Witwe sein, und dann gab es nichts Schönes mehr für sie im Leben. Nicht einmal ihr kleiner vergötterter Laurence konnte ihr jetzt helfen. Foamcrest Manor wenigstens war voller Menschen, wenn auch Lady Harriet jedem auf die Nerven ging und Lady Cecily so furchteinflößend damenhaft sein konnte. Aber George benahm sich manchmal sehr lustig und brachte jeden zum Lachen. Belinda floh zu diesen letzten Freunden aus alter Zeit, bereit, dafür sogar Joannas Scharfzüngigkeit in Kauf zu nehmen.
Aber Joanna wurde sanfter. Sie hatte, trotz allem, große Angst um Edward und empfand daher Verständnis für Belindas Klagen. Sie konnte diese Frau nicht ausstehen, aber sie mußte sich selber widerwillig zugeben, daß eine jammervolle Belinda freundlichere Seiten zeigte als eine ausgelassene. So ertrug sie ihre Gegenwart, und manchmal konnten sie sich sogar ganz ausgeglichen unterhalten, während sie im Park herumliefen, über die Dünen von Hunstanton spazierten oder im Schloß vor dem Kaminfeuer saßen. Belinda war nach wie vor nicht besonders klug, aber nun, da sie zum erstenmal im Leben etwas bedrückte, wurden ihre Gefühle und Reden ein klein wenig empfindsamer.
Der September ging vorüber, niemand wußte, was dort im Hafen von Cadiz geschah, denn jede Nachricht brauchte Wochen, ehe sie London erreichte, und noch Tage mehr, bis sie in die Provinzen gedrungen war. Was man auch erfuhr, es war bereits veraltet. Sicher wußte jeder nur, daß die Victory mit Admiral Nelson an Bord am 15. September Portsmouth verlassen hatte, begleitet von der Euryales, von Ajax und Thunderer. Die besten Kriegsschiffe wurden aufgeboten, diesen letzten Kampf siegreich zu bestehen. Nun lagen sie vor Cadiz, aber vorläufig schien
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