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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Franzosen! Warum seid ihr nicht im Schloß?«
    »Es fiel in französische Hände.«
    »Jetzt haben wir es. Kommt schnell! Hier ist gleich die Hölle los!«
    Benommen folgten sie seiner Aufforderung. Elizabeth sah sich nach dem Verwundeten um, der sie aus wachen, schmerzerfüllten Augen anblickte.
    »Wir müssen ihn mitnehmen«, sagte sie. Die anderen starrten sie an. John griff nach ihrer Hand.
    »Die Offiziere tragen ihn hinüber«, versprach er. Hinter ihrem Rücken warf er den Preußen einen Blick zu, mit dem er sie bat zu schweigen.
    Er wußte, daß niemand den Verletzten mitnehmen würde, und der Verletzte wußte das auch. Wenn sie ihr Leben retten wollten, durften sie sich mit ihm nicht belasten.
    Wieder jagten sie durch den Park, diesmal in Dämmerung und Regen, und hatten dabei das Gefühl, die Geschosse flögen ihnen bereits um die Ohren, so dicht war der Lärm. Hinter jedem Busch konnten Feinde auftauchen, aber glücklicherweise blieb
ihnen kaum Zeit, über diese Möglichkeit nachzudenken. Sie liefen wie gehetzt, und nur einmal blieben sie stehen und drehten sich erschrocken um, als sie hinter sich einen furchtbaren Krach vernahmen. Der Pavillon ging in Flammen auf.
    »Was war das?« fragte Elizabeth entsetzt.
    »Eine Granate wahrscheinlich. Kommen Sie, Madame«, drängte der Offizier.
    »Wo ist der verwundete Soldat? Ihr wolltet ihn mitnehmen! Wo ist er?« schrie Elizabeth, die jetzt erst merkte, daß die anderen ihr Versprechen nicht gehalten hatten. John zog sie vorwärts.
    »Es ging nicht. Bitte, versteh das doch!«
    Schluchzend stolperte sie voran. Mit der einen Hand klammerte sie sich an John fest, mit der anderen schleppte sie eines der kleinen Bauernkinder hinter sich her. Innerlich betete sie darum, daß sie wenigstens schnell sterben durfte. Es war unmöglich, durch diese Hölle hindurch das Schloß zu erreichen, und sie konnte nur hoffen, daß sie nicht stundenlang bei vollem Bewußtsein in ihrem Blut würde liegen müssen. Sie hörte den harten Knall neben sich gar nicht, den dünnen Schrei gleich darauf auch nicht, und sie merkte erst, daß etwas geschehen war, als John sie plötzlich an sich zerrte und ihr Gesicht gegen seine Brust preßte. Dicht über ihr klang seine Stimme.
    »Sieh nicht hin, Elizabeth. Tante Marie...«
    »Was ist?«
    »Eine Kugel hat sie getroffen. Sieh um Gottes willen nicht hin!«
    »Wir müssen ihr doch...«
    »Weiter!« schrie ein Soldat. »Die Frau ist tot! Lauft weiter!«
    Elizabeth rang den Schwindel nieder, der ihren Kopf wie in einen Nebel tauchte, hinter dem sie alles nur noch von fern und gedämpft vernahm. Tante Marie war tot! Schwach hörte sie Hortense weinen und die Kinder schreien. Sie durfte sich nicht umdrehen, das wußte sie. Sie mußte weiterlaufen, unter Kugeln, Qualm und Regen hindurch, sie mußte sich aufrichten, wenn sie auf dem nassen Boden ausglitt, und sie durfte unter gar keinen
Umständen Johns Hand verlieren. Als sie schon nicht mehr glaubte, daß sie das Schloß je erreichen würden, tauchten die Mauern vor ihnen auf, rußgeschwärzt zwar, doch noch fest aufeinander. Sie eilten die steinerne Treppe hinunter, stießen die Tür auf, traten in den Keller, wo sie als erstes beinahe über einen toten Franzosen fielen, der, sein Gewehr fest umklammert, vor ihnen auf dem Boden lag. Elizabeth war schon so abgestumpft, daß sie ihn kaum wahrnahm. Ihr war übel, und sie fror entsetzlich.
    Sie hockte sich neben die laut weinende Hortense in eine Ecke und legte ihren Arm um zwei Kinder, die schutzsuchend zu ihr herankrochen. Die Tür wurde verriegelt, dann stürmten die Soldaten hinauf ins Haus, um sich an den Fenstern zu postieren und den nächsten Angriff der Feinde abzuwehren. John, Elizabeth und die anderen blieben stumpf und matt im Keller sitzen und warteten, daß das Ende über sie hereinbrechen würde.

6
    Spät in der Nacht gab der preußische General Gneisenau seinen Truppen den Befehl zum Rückzug. Blücher selbst war dazu nicht mehr in der Lage, denn er lag schwer verletzt in einem notdürftig eingerichteten Feldlazarett. Nachdem Napoleon am Abend plötzlich 10 000 Soldaten, die er bis dahin zurückgehalten hatte, zum Angriff auf Ligny geführt hatte, wo sich die Preußen ohnehin nur noch mit letzter Kraft hielten, hatte Blücher selbst die Kavallerie in einer heftigen Attacke gegen die Feinde geführt, bis sein Pferd von einer Kugel getroffen zusammenbrach und ihn unter sich begrub. Blücher verlor das Bewußtsein, aber sein Adjutant, der

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