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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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sich dicht neben ihm gehalten hatte, sprang sofort aus dem Sattel und warf seinen Mantel über die ordenbedeckte Brust des Feldmarschalls, so daß die an ihnen vorübersausende französische
Kavallerie nicht merkte, wer dort zu ihren Füßen lag. Später trugen ihn seine Soldaten vom Feld, nachdem sie ihn mühsam unter dem schweren Körper seines toten Pferdes hervorgezogen hatten.
    Im Tal wurde noch vereinzelt gekämpft, während in den Hügeln bereits zum Aufbruch getrommelt und die Reste der Truppen zusammengesucht wurden. Die Front der Preußen war völlig zusammengebrochen, in einem Moment, da auch Napoleons Soldaten an der Grenze der Erschöpfung angelangt waren, Dörfer und Häuser aber gerade in ihren Händen hatten. Überall flackerten Feuer durch die Nacht, an denen sich Männer sammelten und auf die jammernde, bettelnde Verwundete zukrochen. Trupps zogen über die Felder, um Verletzte einzusammeln. Hier und da erklangen Schüsse, wenn in einem Gehöft oder Waldstück noch Franzosen auf Preußen trafen und sie sich ein letztes kurzes Gefecht lieferten. Aber gegen Mitternacht verebbten auch diese Kämpfe. Es hatte aufgehört zu regnen, der dunkle Himmel war jedoch bewölkt, so daß nur selten einmal der Mond hindurchschien und das verwüstete Tal mit seinen niedergetrampelten Feldern, ausgebrannten Häusern, gefällten Bäumen und den Tausenden von Toten in ein bleiches Licht tauchte.
    Es war kurz nach Mitternacht, als Elizabeth zum ersten Mal nach vielen Stunden wagte, ihre steifen Knochen zu bewegen und sich auf zittrigen Beinen zu erheben. Ihr war fürchterlich kalt, und sie hatte, zu ihrer eigenen Überraschung, Hunger. Sie blickte neben sich, wo John an die Wand gelehnt schlief, Hortense zusammengekrümmt auf der Erde lag und weinte und die Bauernfamilie eng aneinandergeschmiegt mit teilnahmslosen Mienen vor sich hin starrte. Ein Talglicht brannte und ließ die feuchten Steinmauern des Kellers schimmern. Elizabeth versuchte vergebens, das Zittern ihres Körpers zu beruhigen.
    »Es ist vorbei«, sagte sie mit fremd klingender Stimme, »vor zwei Stunden schrie irgend jemand, die Preußen hätten den Rückzug angetreten, und seit einiger Zeit wird nicht mehr geschossen. Es ist wirklich vorbei.«

    John öffnete die Augen.
    »Verdammt, ist mir kalt«, sagte er. Er sprang auf und schüttelte sich.
    »Wir gehen jetzt hinauf«, bestimmte er. »Da oben sind natürlich die Franzosen, aber sie haben uns vorhin nicht getötet, da werden sie es jetzt auch nicht tun.«
    Als sie am Abend in das Schloß zurückgekehrt waren, hatten die Preußen es kaum eine Stunde halten können, dann eroberten es die Franzosen schon in einem Sturmangriff zurück. Die Wartenden im Keller lauschten angstvoll auf den dröhnenden Beschuß und auf die Schreie und erstarrten vor Schreck, als französische Soldaten zu ihnen heruntergestürzt kamen.
    Jetzt ist alles aus, dachte Elizabeth, Gott sei Dank, John stirbt wenigstens mit mir!
    Die Franzosen bedrohten John und den fremden Bauern mit ihren Bajonetten, aber beide Männer versicherten, sie seien nur Zivilisten, die mit ihren Familien hier Schutz suchten. John verriet mit keinem Wort seine und Elizabeths englische Herkunft, und offenbar war ihm kein fremder Akzent anzuhören. Die Soldaten verließen schließlich den Keller und warnten bloß noch einmal, alle sollten sich ruhig verhalten. Niemand ließ sich mehr blicken, während die Stunden verstrichen.
    Aus einer Ecke klang lautes Weinen. Hortense blickte die anderen aus verschwollenen Augen an.
    »Tante Marie«, wimmerte sie. John und Elizabeth sahen einander an.
    »Sie hat den einzigen Menschen verloren, den sie hatte«, murmelte John, »mit Marie war sie ein Leben lang zusammen. Sie war fast wie eine Mutter für sie.«
    Elizabeth trat auf Hortense zu, zog sie hoch und legte den Arm um sie.
    »Laß uns hinaufgehen«, sagte sie leise, »du mußt dich hinlegen und ein bißchen ausruhen.«
    Natürlich war weder an Hinlegen noch an Ausruhen zu denken. Oben im Hause lagen an die hundert tote Männer und ebenso viele verletzte, dazwischen liefen französische Soldaten
hin und her, kümmerten sich um ihre Verwundeten und schrien den herumliegenden Preußen zu, sie hätten sich als Gefangene zu betrachten, was grotesk wirkte, denn kaum einer von ihnen würde den nächsten Morgen erleben.
    Elizabeth stand zunächst vom Grauen gepackt inmitten stöhnender Männer, bis ein Soldat, beide Hände auf den Bauch gepreßt, auf sie zuwankte und vor

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