Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Begrüßung einen großen Auftritt zu machen und durch Lautstärke und Unverschämtheit weithin aufzufallen.
»Bei Gott, Sir Frederic Addenbrooke!« schrie eine bleiche Dame mit grellrot geschminkten Lippen. »Sie sind natürlich nur gekommen, um mir mein armes Herz zu brechen! Warum sehen Sie nur so teuflisch schön aus!«
Der Angeredete trat mit charmantem Lächeln auf sie zu, überreichte ihr eine Rose und küßte sie auf beide Wangen. Von einer anderen Ecke her war schrilles Gelächter zu hören.
»Seht euch nur Judith Chambers an! Sie hat plötzlich feuerrote Haare! Puh, ob sie glaubt, damit noch ein bißchen Jugend zurückzuholen? «
»Leise, sie kann Sie ja hören!«
»Das ist mir doch ganz gleichgültig!«
Die rothaarige Judith fuhr wütend herum.
»Paß auf, was du sagst, Anne Carstairs!« schrie sie. »Du hast es nötig zu lästern! Wo die ganze Stadt weiß, daß du keinen Liebhaber länger als zwei Tage halten kannst!«
»Ha, und du findest nicht einmal einen Liebhaber, selbst wenn du dich an jeder Straßenecke anbietest!«
Das wütende Keifen wurde übertönt von lauter Musik, die aus Cynthias Haus drang. In den Fenstern spiegelte sich der Schein von tausend Kerzen und flutete als warmes, goldenes Licht über die dunklen Pflastersteine der Gasse hinweg. Elizabeths Herz pochte immer heftiger. Kaum hatte sich ihre Kutsche nach vielen Aufenthalten zum Hauptportal vorgearbeitet, da öffnete sie bereits
die Tür und stieg vorsichtig aus. Sie wandte sich zu Joanna um.
»Komm schnell«, drängte sie, »ich traue mich nur hineinzugehen, wenn wir zusammen sind!«
Joanna kletterte auf die Straße und versuchte, ihrem Gesicht einen selbstbewußten Ausdruck zu geben.
»Laß uns hineingehen«, sagte sie, »ich hoffe, daß wir irgendwo Cynthia finden.«
Von der Menschenmenge geschoben, betraten sie die festlich geschmückte Eingangshalle. Auf dem Fußboden lagen rote, weiche Teppiche, an den Wänden rankten sich verschwenderische Blumengirlanden, von funkelnden Kronleuchtern blitzten helle Lichter herab. Dies alles, und dazu die vielen Menschen, Juwelen und Weingläser, spiegelte sich in hohen gläsernen Spiegeln an den Wänden und in den schimmernden Mosaiksteinen an Boden und Decke. Aus allen Zimmern tönte das Spiel der Orchester.
Dieser ganze Glanz inszeniert von einem Mann, der bankrott ist, dachte Joanna, dieser gänzlich skrupellose Anthony wird sich längst in Frankreich befinden, wenn die ersten mißtrauisch gewordenen Händler vor seiner Tür erscheinen.
Willenlos vorangetrieben, schritten sie und Elizabeth durch die funkelnden Säle. Irgend jemand nahm ihnen ihre Mäntel ab, ein anderer drückte ihnen kristallene Gläser mit dunkelrotem Wein in die Hände. Schließlich entdeckten sie Lady Viola, die in einem schneeweißen Spitzenkleid an eine Säule gelehnt im Gang stand. Sie flirtete mit drei Herren, wobei sie nicht zu bemerken schien, daß ihr Gehabe diese mehr amüsierte als beeindruckte. Sie sah ziemlich alt aus an diesem Abend, der Hals über den knochigen Schultern zeigte Falten, und um ihre Augen lagen Schatten, Zeichen zu vieler durchwachter Nächte und zu lebhaften Alkoholgenusses. Sie erspähte die beiden Mädchen und winkte ihnen zu.
»Ihr seid ja auch da!« rief sie. »Der Ball der Jugend, fürchte ich. Eine alte Frau wie ich paßt gar nicht hierher!« Sie kicherte, während die drei Männer höflich das Gegenteil beteuerten.
»Ihr müßt mal nach Belinda suchen, Kinder«, meinte sie, »sie ist leider meiner Sicht entschwunden. Zusammen mit ihrem
neuen Verehrer Edward Gallimore.« Sie sah Joanna zufrieden an. Offenbar hatte Belinda ihr erzählt, sie habe Edward der armen Joanna ausgespannt, die nun tieftraurig über diesen Verlust hinwegzukommen versuche.
Die beiden Mädchen machten sich rasch wieder aus dem Staub, da sie nicht die geringste Lust verspürten, den Abend mit Viola zu verbringen. Nachdem sie eine Weile vergeblich gesucht hatten, fanden sie endlich Cynthia. Sie stand oben auf der Galerie neben Anthony und begrüßte ihre Gäste. Anthony hatte offenbar ziemlich viel getrunken, denn er lachte immer wieder viel zu laut auf, schüttelte den Leuten fast die Hände aus den Gelenken und schwankte sogar einmal leicht. Wer wußte, was hinter ihm lag, dem wurde klar, daß er damit seine Furcht zu verdecken suchte. Cynthia beherrschte sich viel besser. Sie küßte Joanna und Elizabeth, umarmte sie und schob sie dann in einen angrenzenden Salon, wo auf einem Sofa nebeneinander
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