Verbotener Kuss
ich den Trainingsraum betrat, warf Aiden mir einen fragenden Blick zu. Gegen Ende des Trainings sagte ich schließlich etwas. » Glaubst du, es ist vielleicht möglich… dass meine Mom diese Leute nicht angegriffen hat? «
Er ließ die Matte fallen und sah mich an. » Wäre es so gewesen, dann würde sich unser ganzes Wissen über Daimonen verändern. «
Ich nickte ernst. Daimonen mussten Äther trinken, um zu überleben. Da würde Mom keine Ausnahme machen. » Aber sie könnten… trinken, ohne zu töten, stimmt’s? «
» Das könnten sie, aber Daimonen sehen kaum einen Anlass, ihre Opfer nicht zu töten. Sogar das Umdrehen eines Reinbluts verlangt ein Maß an Zurückhaltung, das die meisten Daimonen nicht besitzen. «
Keiner der Reinblüter in Lake Lure war verwandelt worden. Die angreifenden Daimonen hatten keinerlei Zurückhaltung gezeigt.
» Alex? «
Ich blickte auf und war nicht überrascht, Aiden vor mir stehen zu sehen. Seine Miene wirkte besorgt. Ich zwang mich zu einem Lächeln. » Irgendwie hoffe ich, dass sie noch immer meine Mom ist. Dass sie nicht vollkommen böse ist… «
» Ich verstehe. « Seine Stimme klang sanft.
» Dabei weiß ich– ich weiß es wirklich –, dass sie böse ist und aufgehalten werden muss. «
Aiden trat einen Schritt auf mich zu. Seine Augen leuchteten und blickten so warm. Am liebsten hätte ich alles vergessen und mich in diese Augen gestürzt. Behutsam streckte er die Hand aus und strich mir die Haarsträhne zurück, die mir immer wieder ins Gesicht fiel. Ich konnte nicht verhindern, dass ich zitterte.
» Hoffnung ist nichts Verkehrtes, Alex. «
» Aber? «
» Aber man sollte wissen, wann man die Hoffnung aufgeben muss. « Er strich mir mit den Fingerspitzen über die Wange. Dann ließ er die Hand sinken und trat zurück, und die Verbindung zwischen uns riss ab. » Du hast doch mal gesagt, du müsstest unbedingt am Covenant sein. «
Die Frage überrumpelte mich. » Ja… weil ich gegen Daimonen kämpfen muss. Ich muss einfach. «
Aiden nickte. » Und du hast dieses Bedürfnis immer noch? Auch nachdem du weißt, dass deine Mutter zu ihnen gehört? «
Darüber dachte ich kurz nach. » Ja. Sie sind immer noch da draußen und töten. Man… man muss sie aufhalten. Und ich habe dieses Bedürfnis immer noch, obwohl Mom zu ihnen gehört. «
Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. » Dann besteht noch Hoffnung. «
» Worauf? «
Er trat an mir vorbei und blieb gerade lange genug stehen, um mir einen vielsagenden Blick zuzuwerfen. » Hoffnung für dich. «
Ich sah ihm nach. Seine Worte verwirrten mich. Hoffnung für mich? Hoffnung, die anderen Kids würden vergessen, dass meine Mutter ein Daimon war? Ein Daimon, der möglicherweise die Familie einer Klassenkameradin abgeschlachtet hatte?
Später an diesem Abend, im Aufenthaltsraum, spürte ich die Blicke. Schließlich wurde es mir zugetragen. Einige der anderen, Rein- wie Halbblüter, waren der Meinung, man könne mir nicht trauen. Vor allem nachdem meine Mom sich in der Nähe herumtrieb und so gefährlich war. Wie dumm.
Aber es wurde noch schlimmer. Ich wurde gefragt, warum wir vor drei Jahren fortgegangen waren und warum ich in jener Zeit nicht zum Covenant zurückgekehrt war. Gerüchte gingen um. Mein Lieblingsgerücht? Mom war schon lange vor diesem schrecklichen Abend in Miami ein Daimon gewesen. Und manche glaubten daran.
Tage vergingen, und nur wenige Halbblüter redeten noch mit mir. Keiner der Reinblüter. Seth war auch nicht gerade hilfreich, und verdammt, es war unmöglich, ihm aus dem Weg zu gehen. Er war überall– nach dem Training im Hof oder beim Abendessen mit Caleb und Luke. Er kreuzte sogar immer wieder beim Training auf und sah schweigend zu. Das war ärgerlich und unheimlich zugleich.
Ein gewisser Ausdruck huschte jedesmal, wenn Seth vorbeikam, über Aidens Gesicht. Ich schmeichelte mir mit der Interpretation, diese Miene zeige eine Mischung aus Abneigung und dem Wunsch, mich zu beschützen. An diesem Tag allerdings brachten wir das Training ohne Seth hinter uns, und ich hatte keine weitere Gelegenheit, Aidens besonderen Gesichtsausdruck zu erforschen. Welch ein Jammer! Ich sah zu, wie Aiden sich einen der Dummys schnappte, mit denen wir trainiert hatten, und ihn an die Wand zerrte. Die Puppe wog eine Tonne, aber er bewegte sie, als wiege sie nichts.
» Brauchst du Hilfe? « , fragte ich trotzdem.
Er schüttelte den Kopf und lehnte den Dummy an die Wand. » Komm her! «
» Was ist
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