Verbrannte Träume.
ich allein hier in der Wohnung. Meinst du, ich merke nicht, was hier vorgeht? Du mußt mich ja wirklich für sehr dämlich halten. Da kannst du mal sehen, wie gut ich bin in meiner Rolle, genau so gut wie du. Wahrscheinlich sogar besser, weil du drauf reingefallen bist.«
»Wovon sprichst du eigentlich?«
»Von Fremden, die das Haus beobachten«, sagte ich.
»Von Dingen in der Wohnung, die nicht so sind, wie sie sein sollten. Von komischen Telefonanrufen. Von einem größenwahnsinnigen Idioten, der sich einbildet, er könnte tun, was er will. Dem niemals der Gedanke kommt, daß ihm eines Tages einer auf die Finger klopfen könnte. Den Rest erkläre ich dir, wenn du zurückkommst.«
»Nein, ich möchte ihn jetzt hören. Soviel Zeit habe ich noch.«
Seine Stimme klang so freundlich wie ein Hagelschauer im Juli.
»Schön«, sagte ich,
»fangen wir hinten an. Du versteckst dein Auto. Du gehst nicht ans Telefon. Vor der Tür wartet einer auf dich, der was von dir will, was du nicht willst. Was will er denn? Sich die kleinen Mengen abholen? Mir ist es egal, wenn du deine Kunden bescheißt. Von mir aus kannst du die ganze Welt bescheißen. Aber wenn es deswegen Ärger gibt, dann will ich, daß du mit mir darüber sprichst. Wenn du das nicht für notwendig hältst, könnte es passieren, daß ich mit anderen spreche, weil mir langweilig ist.«
Ich wartete auf sein Grinsen. Es kam nicht. Er machte auch sonst keine Faxen. Schaute mich an, als sähe er ein seltenes Tier und wüßte noch nicht genau, ob es gefährlich wäre oder nicht.
»Mit wem zum Beispiel?«
»Mit dem Typ im Kadett. Ich kann auch ein bißchen telefonieren. Es gibt bestimmt ein paar Leute, die sich über einen Anruf freuen. Zum Beispiel solche, die selbst gerne telefonieren. Die mich sogar in der Kanzlei anrufen und mir raten, dir auf die Finger zu sehen, wenn ich nicht in die Klemme geraten will.«
Ulli runzelte noch einmal die Stirn. Dann nickte er irgendwie zufrieden.
»Es sind also doch Anrufe gekommen«, stellte er fest.
»Was haben sie dir versprochen, wenn du mir auf die Finger siehst? Ein schönes Leben? Weißt du denn nicht, was sie damit meinen? Das ewige Leben! Da darfst du den ganzen Tag Harfe spielen und Halleluja singen, Engelchen.«
»Klavier wäre mir lieber«, sagte ich.
»Sie haben mir einen Flügel versprochen. Ich müßte nur das Wohnzimmer aufräumen.«
Ulli grinste, weder abfällig noch überheblich. Es war so, als wären ihm sekundenlang ein paar Gesichtsmuskeln außer Kontrolle geraten.
»Überleg dir das dreimal, bevor du sie anrufst. Es könnte sein, daß sie dir den Hals umdrehen. Mit jungen Hühnern machen sie das immer so.«
Sein Ton änderte sich schlagartig, als er weitersprach:
»Ich gebe dir einen guten Rat, lackier’ deine Nägel und misch’ dich nicht in Dinge ein, von denen du nichts verstehst.«
Als ich ihm nicht antwortete, drehte er sich um, holte seinen Mantel. Er kam nicht mehr in die Küche, verabschiedete sich nicht von mir. Ich hörte die Wohnungstür ins Schloß fallen. Dann war er fort.
Kapitel 3
Nachdem Ulli die Wohnung verlassen hatte, stand ich noch eine Weile in der Küche. Ich kochte vor Wut. Angst hatte ich keine. Wovor denn? Ich hätte auch keine Angst gehabt, wenn der Typ im Kadett zurückgekommen wäre. Reingelassen hätte ich ihn und ihn gefragt, was er von Ulli will. Ich ärgerte mich, daß ich es nicht getan hatte.
Wenn Ulli nicht von jungen Hühnern gesprochen hätte, denen der Hals umgedreht wird, von Harfe spielen und Halleluja singen, hätte ich vielleicht anders darüber gedacht. Aber so was, lächerlich!
Ein Schnüffler vom Finanzamt! Dafür hätte ich an dem Freitag abend meine Hand ins Feuer gelegt. Die vom Finanzamt kommen auch abends, wenn es sein muß. Oder ein betrogener Kunde, der sein Recht wollte. Der Typ hatte zwar nicht ausgesehen wie ein Geschäftsmann, aber einen kleinen Alternativladen konnte er haben. Haushaltswaren, dachte ich, und Ulli hat ihn um fünfhundert Blechdosen beschissen. Damit ließ sich das versteckte Auto erklären. Wahrscheinlich hatte Ulli gemerkt, daß jemand hinter ihm her war.
Ich ging ins Wohnzimmer, um den Anrufbeantworter abzuhören. Bis dahin hatte ich mich noch nie mit dem Ding beschäftigt. Als ich bei ihm einzog, hatte Ulli mir erklärt, daß er das Gerät dringend für geschäftliche Angelegenheiten brauchte, für Kunden und Lieferanten. Daß er das Band von unterwegs abhörte. Er hatte immer ein kleines Gerät bei sich,
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