Verbrannte Träume.
ein Kästchen mit Tasten, Coder hieß das Ding. Das mußte er nur auf den Telefonhörer drücken. Daß ich nicht am Anrufbeantworter herumfummeln sollte, hatte er mir gesagt, damit ich nicht aus Versehen wichtige Anrufe löschen würde. Daran hatte ich mich gehalten.
Es war auch nie ein Anruf registriert gewesen, wenn ich abends heimkam. Ulli konnte das Band von unterwegs löschen. Für mich rief tagsüber nie einer in der Wohnung an. Wenn meine Mutter mir was Wichtiges erzählen wollte, wer im Dorf ein Kind bekommen hatte, wer sich scheiden ließ oder gestorben war, versuchte sie es in der Kanzlei. Sie mochte den Anrufbeantworter ebenso wenig, wie sie Ulli mochte.
Ich schaute mir das Gerät an. Sah aus, als sei es einfach zu bedienen. Auf dem Zählwerk war wie üblich die Null. Ich dachte, daß Ulli nur das Band hätte zurücklaufen lassen. Daß ich noch feststellen könnte, was, ihn dazu veranlaßt hätte, seinen dringenden Termin mit Rene zu vereinbaren. Ich spielte ein bißchen mit den Tasten herum, nur kam nichts dabei raus. Da war ein Pfeifen auf dem Band, als ob jemand in ein Mikrophon bläst. Das machte mich so wütend, daß ich das Gerät ausschaltete, obwohl Ulli mir das verboten hatte.
Die Sache mit dem Karton, der angeblich am Mittwoch abgeschickt worden und nicht angekommen war, hielt ich für eine billige Ausrede. Ich dachte daran, hinunter zu Frau Ruland zu gehen und sie zu fragen, ob Ulli sich tatsächlich nach einem Karton oder nach etwas anderem erkundigt hatte. Nach Fremden vielleicht, die ums Haus herumschlichen.
Ich ging nicht zu Frau Ruland, setzte mich statt dessen ins Wohnzimmer und dachte noch einmal in Ruhe über alles nach. Der erste große Krach. Aber ich hatte eine gute Figur gemacht, fand ich. Ich hatte ihm endlich gesagt, was Sache ist und ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Wenn er jetzt auch ein bißchen nachdachte, konnten wir später vielleicht vernünftig reden.
Das hatte ich vor, vernünftig mit ihm zu reden. Ruhig und sachlich, ihm vielleicht sogar zu sagen, daß mich keiner angerufen, daß ich das nur gesagt hätte, weil es mir zu dumm geworden wäre.
Und wenn er nicht nachdachte? Wenn er so sauer auf mich war, daß er gar nicht heimkam? Vielleicht das ganze Wochenende nicht? Etwas Ähnliches war schon einmal passiert. Da waren wir zwei Monate zusammen gewesen. Und da hatten wir nicht gestritten. Ich hatte ihn nur gebeten, mich sonntags zu meinen Eltern zu fahren. Das war die Zeit, als meine Mutter einlenkte und damit begann, mich in der Kanzlei anzurufen.
Meine Mutter hatte Geburtstag und fragte, ob ich Lust hätte, sonntags zum Kaffee zu kommen. Ich freute mich, daß ich mit ihr ins reine kam. Ulli war einverstanden. Er fuhr mich kurz nach zwei hin und wollte mich um sieben wieder abholen. Aber er kam nicht. Ich rief ein paarmal an, sprach jedesmal auf den Anrufbeantworter.
Um neun fragte ich meinen Vater. Er lehnte ab, er habe ein Bier getrunken und könne nicht mehr fahren. Ich mußte die Nacht in meinem früheren Zimmer schlafen und montags von meinen Eltern aus zur Kanzlei fahren. Und montags abends kam ich heim. Ulli war weg, auf Verkaufstournee. Nirgendwo ein Zettel mit einer Erklärung oder Entschuldigung. Haushaltsgeld hatte er mir auch nicht hingelegt.
Damals hatte ich gedacht, daß er wütend gewesen wäre, weil ich die Einladung meiner Mutter angenommen hatte, statt zu sagen: »Ihr wolltet doch mit mir nichts mehr zu tun haben.« Oder: »Wenn ihr mich einladet, müßt ihr auch Ulli einladen. Alleine komme ich nicht.«
Ulli lachte darüber. Er habe wahrhaftig keinen Wert auf einen Nachmittag bei Kaffee und Kuchen gelegt. Er habe viel zu tun gehabt, einfach vergessen, mich abzuholen und mir Geld dazulassen. Er hätte nie zugegeben, daß er solch eine Sache als Mißachtung empfand und verletzt war.
Es war eine blöde Situation. Wegen der Fingernägel und der Straßsteinchen, die ich mir donnerstags gekauft hatte, war ich etwas knapp mit dem Haushaltsgeld. Ich hatte ja auch die Lebensmittel fürs Wochenende gekauft. Und wenn Ulli nicht heimkam oder mir am Sonntag kein Geld gab … Ihn darum anbetteln, so weit wollte ich es nicht kommen lassen.
Gegen elf rief ich in der Klause an. Das ist ein kleines Lokal in Köln, eine Nachtbar, wie man so sagt, etwas für gehobene Ansprüche. Sie haben bis drei Uhr nachts geöffnet und sogar einen Klavierspieler, und manchmal gibt es Jazz. Ulli traf sich dort häufig mit Kunden. Mit mir war er nie
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