Verbrannte Träume.
dagewesen.
Marcia kam ans Telefon. Sie arbeitete hinter der Bar. Ulli hatte mir hin und wieder von ihr erzählt. Marcia war nicht ihr richtiger Name. Sie nannte sich so, weil es ein bißchen exotisch klang, nehme ich an. Vielleicht heißt sie in Wirklichkeit Annetrude oder Rosemarie, ich weiß es nicht, demnächst werde ich es wohl erfahren. Aber es ist nicht mehr wichtig. Marcia war sehr nett am Telefon.
Ulli machte sich oft lustig über sie. Nicht nur über sie, er machte sich über viele Leute lustig. Es gab nicht einmal eine Handvoll, die er ernstgenommen hätte. Bei mir waren es meine vermeintliche Naivität, die Ängstlichkeit, von der er glaubte, sie wäre echt, und die Anwandlungen von Kleinbürgertum, wie er das nannte. Bei Marcia war es der Name, über den er sich amüsieren konnte, weil der so offensichtlich falsch war. Und weil Marcia sich strikt weigerte, ihren richtigen Namen zu nennen.
Das hatte Ulli mir einmal erzählt. Sie habe sich das Marcia sogar in ihren Paß eintragen lassen, als Künstlername, sagte er. Ob es stimmt, weiß ich nicht, interessiert mich auch nicht. Ulli lachte darüber, das höre ich immer noch.
»Mich würde interessieren«, sagte er, »wo sie ihre Kunst ausübt. Vielleicht sollte ich sie fragen, ob sie mir mal eine kleine Privatvorstellung bietet. Wer weiß, am Ende gefällt es mir.«
Es war ein Sonntagmorgen, wir lagen im Bett. Ich ging mit den Fäusten auf ihn los. »Untersteh dich, du Schuft!« Dann gegenüber, war ich unendlich glücklich mit ihm. Ich habe ihn wirklich geliebt, vielleicht nicht so, wie man’s im Film sieht, mit großer Leidenschaft und wahnsinnig viel Zärtlichkeit.
Aber … Ich meine – Liebe beweist sich doch nicht nur darin, daß man ständig aufeinanderhängt oder sich, wenn man sich eine Woche lang nicht gesehen hat, gleich die Kleider vom Leib reißt. Das war nicht Ullis Stil.
Mir war es auch nicht so wichtig. Für mich war Ulli … Mein Gott, er war meine Fahrkarte in die Freiheit. Raus aus dem kleinbürgerlichen Mief! Das Leben ist ein Abenteuer. Man muß nehmen, was sich bietet. Und wer sich langweilt, ist selber schuld. Das war Ullis Devise.
Ich rief also in der Klause an und bat Marcia, Herrn Meuser an den Apparat zu holen. Meinen Namen nannte ich nicht. Ulli hatte mir zwar verschiedentlich von ihr erzählt. Daß sie ein paar Jahre älter sei als ich, eine richtige Schönheit. Aber daß er ihr von mir erzählt hatte, konnte ich mir nicht vorstellen. Ich sei eine Bekannte von Herrn Meuser, sagte ich und wollte auflegen, sobald Ulli sich meldete. Es war nur ein Test, die zwei, drei Stunden, von denen er gesprochen hatte, waren um. Ich dachte, wenn er noch da ist, sieht es schlecht aus. Aber Marcia sagte: »Tut mir leid, Herr Meuser ist nicht mehr hier. Er ist vor gut einer halben Stunde gefahren.«
Ich war erleichtert, das gebe ich zu, legte mir ein paar Worte zurecht, die ich sagen wollte, wenn er hereinkäme. Ich schaltete auf Pro 7, da lief noch ein US-Thriller, den ich schon zweimal gesehen hatte. Der Empfang war nicht so gut wie sonst. Weiße Sprenkel im Bild. Draußen bearbeitete der Wind unsere Sat-Schüssel. Es ging mächtig rund. Der Regen vom Abend war erwachsen geworden. Da kam ein richtiges Unwetter herunter. Zwischen zehn und elf hatte ich ein paarmal an den Satz denken müssen: »Die Schleusen des Himmels öffnen sich«. Es goß, wie aus Kübeln geschüttet. Und dazu heulte es wie ein Rudel Wölfe.
liegen und mir Filme anzuschauen, die ich schon kannte. Sorgen um Ulli machte ich mir nicht. Manch einer hätte Schwierigkeiten mit dem Auto gehabt. Aber Ulli war ein guter Fahrer und ein routinierter. Wenn er hinter dem Steuer saß, war er mit dem Wagen verwachsen. Es gab keine Situation, die er nicht augenblicklich unter Kontrolle bekam. Ich habe es oft genug erlebt, sonst würde ich das nicht behaupten. Glatteis oder daß plötzlich ein LKW vor ihm ausscherte. Machen die ja oft, kümmern sich nicht darum, ob sich von hinten ein Wagen auf der Überholspur nähert.
Ulli sagte: »Das können die sich leisten. Die sitzen hoch und relativ sicher in ihren dicken Kisten. Du gehst schon auf die Bremse, wenn dir dein Leben lieb ist.«
Ihm war sein Leben sehr lieb. Es war ja auch ein tolles Leben.
Normalerweise brauchte Ulli für die Fahrt von Köln nach Biesfeld vierzig Minuten. Ich rechnete mit einer Viertelstunde mehr, weil er langsamer fahren mußte bei dem Wetter. Mit meinen Gedanken war ich bereits bei unserem Gespräch.
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