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Verbrechen ist Vertrauenssache

Verbrechen ist Vertrauenssache

Titel: Verbrechen ist Vertrauenssache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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war, als wäre das Geld nicht gestohlen, sondern entführt worden, als warteten sie darauf, dass die Entführer sich meldeten und die Bedingungen für die Rückgabe diktierten.
    Als das Telefon endlich gegen drei Uhr morgens läutete, schien es zunächst, als würde niemand den Hörer abnehmen. Archibald und Tina hielten im Auf-und-ab-Gehen inne und starrten den Apparat an, der auf einem runden Tischchen neben dem Sofa stand. Dwayne saß am anderen Ende des Sofas und sah ebenfalls zum Telefon, griff aber nicht danach, denn dies war schließlich nicht seine Suite. Dann wurde ihm bewusst, dass Archibald ihm, dem Profi, den Vortritt ließ, während er Archibald den Vortritt lassen wollte. Sobald er das verstanden hatte, langte Dwayne hinüber zum anderen Ende des Sofas, nahm den Hörer und sagte: »Thorsen.«
    »Calavecci. Wollen Sie in der Broad Street vorbeischauen?« So nannte man hier das Polizeipräsidium, ein großes Gebäude aus Kalksteinblöcken, das aus der Zeit der Gewerkschaftskämpfe in den zwanziger Jahren stammte.
    »Haben Sie sie?«
    »Nein«, sagte Calavecci, »tut mir leid. Aber etwas anderes. Sehr interessant.«
    »Bin gleich da«, sagte Dwayne, aber natürlich musste er Archibald dieses einminütige Telefongespräch erst zehn Minuten lang erklären, bevor er sich auf den Weg machen konnte.
     
    Calavecci erwartete ihn in einem kleinen, kahlen Büro, das aussah, als sei derjenige, der bisher hier gesessen hatte, kürzlich gefeuert worden, das aber eigentlich niemandem gehörte. Es war ein Besprechungs- und Verhörraum mit einemzusätzlichen Stuhl in der Ecke für die Stenografin, die das Geständnis mitschrieb, und einem Telefon auf dem Tisch, mit dem man die Stenografin anrufen konnte.
    Calavecci und Dwayne setzten sich einander gegenüber an den Tisch. Sie fühlten sich wohl in diesem Raum. »Wir konnten unser Glück nicht fassen, und darum war’s dann auch kein so großes Glück«, sagte Calavecci. »Drei weiße männliche Personen in einem Wagen mit Nummernschild aus Tennessee, wo Sie und der Reverend herstammen, und dieser Wagen stand stundenlang auf dem Parkplatz eines Gebäudes voller Büros und Praxen, die über Nacht geschlossen sind.«
    »Die Zahl ist richtig«, sagte Dwayne.
    »Aber die Männer sind die falschen.« Calavecci grinste und zuckte die Schultern. »Aber trotzdem interessant. Dieser Tom Carmody –«
    »Der Insider.«
    »Der Clown«, bestätigte Calavecci. »Seine Freundin Mary Quindero ist ertrunken in einem Kleiderschrank gefunden worden. Ziemlich ungewöhnlicher Tod.«
    Dwayne übte sich in Geduld. »Stimmt.«
    »Einer der drei Typen aus Tennessee ist ihr Bruder Ralph.«
    »Aha«, sagte Dwayne. Er hatte verstanden. »Tom redet mit George Liss, und der redet mit ein paar Freunden – da haben wir unsere Räuber. Dann redet Tom mit Mary Quindero, und die redet mit ihrem Bruder Ralph, der redet wiederum mit ein paar von seinen Freunden – und die beschließen, die Räuber zu berauben.«
    »Die schiere Menge der Arschlöcher auf dieser Welt hört nicht auf, mich zu faszinieren«, sagte Calavecci. »Sie wollen einen ahnungslosen Clown, der die ganze Sache versaut? Kein Problem.«
    »Aber die Schwester ist tot«, sagte Dwayne. »Wie passt das da rein?«
    »Die anderen beiden«, sagte Calavecci, »Isaac Flynn und Robert Kellman –«
    »Isaac Flynn?«
    Calavecci zuckte die Schultern. »So steht’s in seinem Führerschein. Vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren haben die Leute ihren Kindern alle möglichen Namen gegeben, als wären es irgendwelche Frühstücksflocken. Jedenfalls haben diese beiden, Flynn und Kellman, die Schwester in die Mangel genommen, weil sie nichts mehr sagen wollte, als sie gemerkt hat, was ihr Bruder vorhatte. Und natürlich haben sie’s gründlich vermasselt.«
    Dwayne schüttelte den Kopf. Da war was, was er nicht verstand. »Die haben seine Schwester umgebracht, und er hat weiter mitgemacht?«
    »Er wusste nichts davon. Er weiß auch jetzt nichts.« Calavecci grinste wölfisch. »Ich dachte, Sie wären vielleicht gern dabei, wenn er es erfährt. Mal sehen, was sich daraus ergibt.«
    Er ist gemeiner als ich, dachte Dwayne – ein Gedanke, den er nicht oft hatte und bei dem ihm etwas unbehaglich war. Aber wenn das ein Test sein sollte, würde er ihn mühelos bestehen. »Könnte interessant werden«, sagte er.
     
    Ralph Quindero war in etwa das, was Dwayne sich vorgestellt hatte: eine Witzfigur ohne Witz, ein trauriges Würstchen, das immer zur falschen Zeit

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