Verbrechen ist Vertrauenssache
die Decke. Bill kletterte ohne Mühe an den Regalen hinauf und stellte, oben angekommen, fest, dass die Decke aus Presspappe bestand. Mit einem Stück Auspuffrohr aus einem der Regale stieß er ein Loch hinein, das er mit den Händen vergrößerte. Er riss Presspappenstücke ab und legte sie so leise wie möglich auf die obersten Regalbretter – alle Bretter oberhalb von drei Metern waren leer und verstaubt. Über der Presspappe waren im Abstand von vierzig Zentimetern Holzbalken, auf denen die Dachbretter festgenagelt waren.
Im Lagerraum gab es alle möglichen Werkzeuge. Bill musste nur achtgeben, dass er nicht zuviel Lärm machte. Mit Schraubenziehern, einer Zange, einem großen Schraubenschlüssel und einem Montiereisen hebelte er einige Bretter und die darauf verlegte Dachpappe hoch.
Je länger er arbeitete, desto besser ging es voran, denn er hatte immer mehr Platz. Als sich der erste Spalt auftat, war der Himmel noch ganz schwarz, doch während Bill arbeitete, erschien am östlichen Horizont ein heller Streifen, und als er sich schließlich zwischen zwei Balken hindurchzwängte und auf die rauhe Teerpappe des Dachs kletterte, war es Morgen. Sehr früher Morgen, aber Morgen.
Als erstes ging Bill zum hinteren Rand des Dachs, von wo er auf ein schmales Stück Brachland mit Büschen und kleinen, mickrigen Platanen blickte, und pinkelte hinunter, wobei er sich bemühte, kleine Äste zu treffen, um ein Pladdergeräuschzu vermeiden. Dann sah er sich nach einer Stelle um, wo er am besten vom Dach klettern könnte, und entdeckte den Polizeiwagen.
Mann, so ein Glück! Und der Wagen steuerte sogar auf die Tankstelle zu! So leise und schnell wie möglich ging Bill zur anderen Seite des Dachs und sah, dass der Polizist bei den Zapfsäulen anhielt, ausstieg und auf das Gebäude zuging.
Bill stand am vorderen Rand, genau über der Eingangstür, und schwenkte die Arme über dem Kopf, um den Polizisten auf sich aufmerksam zu machen. »He!« rief er.
Der Polizist sah auf.
ELF
Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun: Es waren so viele Verstecke zu durchsuchen, so viele Fluchtwege abzuschneiden, so viele Straßensperren zu bemannen, so viele Möglichkeiten zu bedenken. Darum waren in Gegenden, wo sich die Räuber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aufhielten, Streifen im Einsatz, die nur aus einem einzigen Polizisten bestanden, und darum stieß Liss an der Zufahrt zu einer schmalen Brücke über stillgelegte Bahngleise auf einen geparkten Polizeiwagen, in dem lediglich ein Polizist saß und vor sich hin döste. Es gab in der Nähe ein paar Kneipen und Schnellimbisse sowie einige Schrottplätze und Werkstätten, aber keine Wohnhäuser, und um diese Uhrzeit war hier alles geschlossen. Liss schlug einen Bogen zu der steilen, grasbewachsenen Böschung der Bahngleise und stieß auf einen alten, verrosteten, löchrigen Maschendrahtzaun. Dort fand er ein fünfzig Zentimeter langes Stück Metallrohr, das früher einmal zu einem der Zaunpfosten gehört hatte. Er drückte es an sein rechtes Bein, presste die linke Hand an den rechten Oberarm, als wäre er verwundet, taumelte auf den Streifenwagen zu und rief: »Hilfe! Hilfe!«
Der Polizist schreckte aus seinem Dämmerschlaf hoch, sah einen verwundeten Mann auf sich zukommen, stieg eilig und ungeschickt aus und bekam das Metallrohr direkt ins Gesicht. Er fiel hintenüber und lag halb im Wagen. Benommen tastete er nach dem Revolver im Halfter, aber Liss klemmteihn zwischen Tür und Rahmen ein, so dass er sich nicht rühren konnte, und schlug mit dem Rohr dreimal auf seinen Kopf ein.
Als Liss die Tür öffnete, glitt der Polizist zu Boden. Rasch zog Liss ihm die Uniform aus, damit sie keine Blutflecken bekam, und verstaute die Leiche im Kofferraum. Dort waren auch zwei Schrotflinten in Halterungen, ein Erste-Hilfe-Kasten und sogar eine kleine Axt mit rotem Griff. Er hätte es nicht besser treffen können.
Die Uniform passte einigermaßen – gut genug jedenfalls. Er setzte sich, die Uniformmütze auf dem Kopf, ans Steuer. Motor und Heizung liefen, der Polizeifunk verriet ihm, was sich durch die Nacht bewegte. Liss wartete. Er hatte jetzt keine Eile mehr.
Zuvor hatte er sich beeilen müssen. Als er Brenda mit dem Kombi gesehen hatte, war er aus dem Haus des alten Mannes gestürzt und hatte sich, während sie die Seesäcke eingeladen hatten, hektisch nach einem Wagen umgesehen, den er stehlen könnte, doch es ging alles zu schnell, und außerdem war um diese Uhrzeit so wenig
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