Verbrecher und Versager.
während Kapf, dessen Winde günstiger stehen, die kurze verbleibende Zeit vor der Ausfahrt in englischen Betten verbringt.
Was Schiller in der Zwischenzeit treibt? Kronenbitter, das wissen Sie doch! Dasselbe wie Kapf, Kabale und Liebe, der eine zu Wasser, der andere zu Land. Was die Geschichte genauer enthält? Einen Fürsten, der seine Soldaten verkauft, um die englische Lady mit Schmuck zu behängen, bis das Geld sich in jede Richtung auflöst wie das Gift in der Limonade des Fräuleins, die der Major ihr zu trinken gibt. Dann trinkt er selbst und legt sich dazu, der Tod ist nichts als ein Schluck aus dem Becher.
Als hätte das alles Kapf hingeschmiert und versucht, aus der Ferne den Dichter zu spielen, während Schiller die Wirklichkeit dreht und wendet, bis er auf seine Kosten kommt. Der klebt fest an der Heimat, aber Kapf fährt aus, in ein Land, wo es kein Theater mehr gibt. Neun Schiffe stehen zur Ausfahrt bereit, und alle neun tragen sehr große Namen, jedes so schön wie ein Drama von Schiller, außen glänzend, innen dunkel und stickig: Die drei Gebrüder und Jungfrau Johanna, Fortuna und Gertrud Petronella, Susanna, Agathe und Gatemisse, zum Schluss die Rhynon und Joseph II.
Natürlich will jeder auf die Fortuna oder wenigstens auf die Jungfrau Johanna, unter schönen Namen segelt man besser. Abends wird in den Zelten gewürfelt, je weniger Licht, desto leichter der Wurf, mehr als zehn Augen und der Platz gehört mir. Wer krank und halb tot ist, muss auf die Susanna, also besser an Gott, als an Namen glauben, schließlich weiß man erst hinterher, welches Schiff schwimmt und welches nicht. Kronenbitter dreht sich nicht um, als er mit Kapf die Rhynon besteigt, vermutlich ist er damit beschäftigt, das Gepäck seines Herrn unter Deck zu schaffen, den Kartenkönig, die Damen und Buben, lauter Hosen und Hemden aus englischem Tuch.
Von der Lady selbst ist nicht mehr die Rede, ihre Spur verliert sich mitten im Brief, auf den letzten Seiten wird sie schon wässrig, denn der Brief hat auf seiner langen Reise mit dem Rücken nach oben im Regen gelegen, bis Spiegelberg, Roller und Schwarz mit der Post in Stuttgart gelandet sind. Nur Kosinsky ist auf der Strecke geblieben, den haben sie unterwegs verloren, vielleicht auch an die Franzosen verkauft.
Nicht dass ich das weiß, ich vermute es nur, denn die drei reden kein Wort, obwohl ihre Haare längst wieder wachsen, auch ihre Beine sind friedlich verheilt, nur stumm wie die Fische sind sie geworden. Ich habe sie trotzdem aufgenommen, erstens muss wieder Geld ins Haus, zweitens sind sie Geschöpfe von Schiller, die drittens das Lied von Schubart singen, auswendig zwölf Strophen bei Tag und Nacht, aufauf Ihr Brüder und seid stark, der Abschiedstag ist nah, schwer liegt er auf der Seele, schwer, wir sollen über Land und Meer, wir solln nach Afrika.
Ich ertrage ihren Gesang nur mit Not, der Ton hängt sehr schief, als hätte man ihre Gehirne gewaschen, genau wie die Köpfe ins Runde geschnitten, vielleicht sind sie auch nur etwas geschrumpft auf der langen Wanderung unter der Sonne. Und so habe ich einfach die Fenster geschlossen, dann habe ich mir die Ohren verstopft, danach den Kartentisch abgewischt und erklärt, dass ich weiß, wie man mischt und verliert.
Liebe Frau Vischer. Wir sind jetzt auf See. Wer noch lebt, möchte schlafen, wer schläft, möchte sterben, wer stirbt, will nach Haus. Hier wird weder mit Tinte noch Wein geschrieben, so schwankend stehen die Buchstaben da. Alles ist ernsthaft in Bewegung, ich versuche, die Hemden in Ordnung zu halten, bürste täglich das Salz aus den Hosen, den Rost von den Knöpfen, den Schimmel von den Schultern des Herrn, der schlägt und schreit und prügelt für zehn.
Nachts zerhaut er mir meinen Schlaf in Hälften, eine für Sie, die andere für eine englischen Lady, die er in Portsmouth verlassen hat und die er vermutlich nie wiedersieht. Zehn Mal haben sie rund um das Kap gewürfelt, die Miss von Adel und Kapf, ihr Soldat, zehn Mal ist er dabei ins Knie gegangen und zehn Mal danach wieder aufgestanden, aber nur, weil ich immer hinter ihm stand, damit er sich an die Rhynon erinnert und daran, dass wir nach Afrika müssen.
Erst liegen wir wochenlang unterm Äquator, kein Wind und kein Wasser, der Durst ist entsetzlich, Kapf hat uns die Bäuche mit Wein aufgefüllt. Aber Wein ist kein Wasser, wir sind immer noch krank, niemand geht auf zwei Beinen. Bis es plötzlich zu regnen beginnt. Wir werfen uns rücklings
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