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Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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noch im Anlauf stecken. Er ist viel zu kräftig für diese Art Tod.
    Er spricht nicht und hat mir niemals erzählt, was ihn mehr erschreckt nach der misslungenen Tat, als er unvermutet ins Leben zurückmuss und in das Gesicht seines Vaters blickt. Der eigene Schmerz oder das Lachen des Vaters, der neben dem Bett in die Hände klatscht und fröhlich ruft, mein Sohn, ein Versager. Denn wer nicht Hand an sich selbst legen kann, aus dem wird niemals ein Arzt! Den Rest reime ich mir selbst zusammen, weil Junghuhn mir niemals erzählen wird, was in Halle und was in Berlin geschah, wo er sich durch sein Studium stiehlt und längst begonnen hat, Pflanzen zu sammeln. Er pfeift auf die Anatomie der Menschen, so wie er auf seinen Körper pfeift und auf den Körper der Frauen. Sein Herz lässt Freundschaft nicht zu, es ist schon an die Botanik vergeben. Und wenn ich ihm näher kommen möchte, dann nur, indem ich ein Schiff besteige und später die Berge und mich bäuchlings ganz nah an den Kraterrand schiebe, um endlich zu sehen, was ist.
    Aber ich habe Angst vor der Reise. Ich fürchte mich vor seiner Kraft, seinem Eifer, seinem Zorn und der Unerbittlichkeit, mit der er sich ins Verhältnis setzt zu allem und jedem, zu Gott und der Welt, zu Menschen und Tigern, gelegentlich auch zu einem Freund oder dem, was er unter Freundschaft versteht. Die Szenerie ist bekannt. Letzte Runde in einer Wirtschaft, an deren Namen sich niemand erinnert. Es wimmelt von Wirtschaften in Berlin, Zum klingenden Säbel, Zum goldenen Schuss, vielleicht war es auch Der zerbrochene Löffel. Sicher ist nur der Name des Mannes, der neben Junghuhn am Kneipentisch sitzt, Schwoerer aus Basel. Ich habe mir diesen Namen gemerkt, weil die Namen der Menschen das Einzige sind, was sie mir wirklich vorstellbar macht.
    Und während ich hinter der Theke stehe, lautlos und aufmerksam Gläser poliere und die Männer streitsüchtig Biere verzehren, weiß ich genau, was passiert. Ein Bier gibt das nächste, ein Wort das andere, die bekannte Peitsche aus Streitlust und Kränkung. Thesenschläger und Prügel- knaben, gleich wird sich einer schwankend erheben, den Bierkrug gegen die Tischkante schlagen und mühsam nach einer Verwünschung suchen, mit der er den Gegner beleidigen kann. Ich kenne ihr Repertoire genau, immer beginnt es scheinbar ganz harmlos, das meiste taugt kaum zur Beleidigung. Aber Junghuhn ist reizbar im Verkehr mit den Menschen, ihm genügt auf Anhieb der dumme Junge, den Schwoerer ihm vor die Füße wirft. Blitzartig ist er aufgesprungen, in der Hand den Krug, hochrot im Gesicht, und schleudert infamer Hundsfott zurück.
    Das reicht, es wird still. Still wie die Stille vor dem Gewitter, still wie die Männer an den anderen Tischen, die still wie ein Mann sich jetzt langsam erheben, während ich mich hinter die Theke ducke, als wäre ich gar nicht dabei gewesen. Ich will nicht den Sekundanten geben für Geschichten, die nicht meine sind, die nach Ehrenhandel und Handschuh riechen, nach Morgengrauen und Nebelschwaden, nach kleinlichen Lichtungsabenteuern, für die, die sich nicht in die Ferne wagen und an innerer Hitze ersticken müssen, die sich gern im Duell etwas Kühlung verschafft. Und obwohl ich hinter der Theke hocke und ihre Gesichter nicht sehen kann, kenne ich ihren Ausdruck genau, diese preußische Mischung aus Angst und Gier.
    Noch immer hocke ich hinter der Theke. Ich kenne das Spiel, ich weiß, was noch kommt, allem voran die Wahl ihrer Waffen. Schwoerer will sich mit Krummsäbeln schlagen, Junghuhn dagegen versteht nichts von Säbeln, und so stimmt man sich auf Pistolen ab. Ich war nicht dabei, doch ich weiß ganz genau, was für erbärmliche Schützen sie sind, noch bevor sie sich auf der Lichtung treffen. Viel- leicht schossen sie sich auch ohne mein Zutun, in derselben Nacht, gleich um die Ecke neben der Tür, und die Männer sahen von drinnen zu. Sekundanten, feige im Hinterhalt, die Gesichter eng an die Scheiben geschmiegt und Blätter zu kleinen Zigarren gerollt, als Junghuhn die Luft trifft und Schwoerer sein Bein, wie der geschlagene Junghuhn zu Boden geht und Schwoerer, von seinem Treffer ernüchtert, entsetzt im Galopp die Flucht ergreift, bis er in Angstschweiß die Haustür erreicht, in sein Zimmer stürmt und die Tür verriegelt und, indem er sein Gesicht im Spiegel erblickt, sich selbst die entscheidende Kugel gibt.
    So hat es die Zimmerwirtin erzählt und fügte hinzu, für den Schaden komme Herr Junghuhn auf.

    Wenn ich mich

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