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Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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andere meinen dagegen Humboldt, Alexander der Große, der vor dem König die lautere Stimme besitzt. Ich dagegen glaube, es war jene Wirtin, die, während ich noch die Gläser poliere, die Einzige ist, die wirklich weiß, was in jener Nacht in Berlin geschah. Vielleicht stand sie am nächsten Morgen im Zimmer, in der Hand einen Lappen, mit dem sie die Spuren der Tat verwischt und später Schwoerers Gesicht bedeckt.
    Ein Gesicht wie so viele andere Gesichter, ein namenloser Student aus Basel, der selber gern in die Berge steigt. Vielleicht hatte er Glück, er ist seinem Tod schon in Preußen begegnet, anstatt ihn später woanders zu finden. Woraus sich ein kürzerer Text ergibt und ein sehr kurzes Leben. Sein Schatten sitzt links auf dem Schiff neben Junghuhn und atmet dieselbe Seeluft ein, weil auch Selbstmörder unersättlich sind und Mastbäume, die nicht verbrennen können.

    Drei Masten und ein Name aus Holland sind das Letzte, was ich erkenne. Ein Schiff, gefüllt mit praktischen Menschen, mit Junghuhn, Soldaten, Matrosen und Händlern, mit Schreibern, Ärzten und Ingenieuren, mit Gärtnern und Priestern. Fracht nach Batavia, wo es reichlich zu tun gibt für jeden, der zuhause weder dichten noch hoffen kann.
    Hier dagegen geht nichts ohne Hoffnung. Der Handel ist lebhaft, die Hitze ist tödlich, der Feind in der Mehrzahl, der Wein ist schlecht, die Gesellschaft öde, das Regiment streng und die Verwaltung mühsam in diesem Land ohne Dämmerung, das seine Sonne täglich um sechs schafottiert. Der Rest des Tages ist dunkel und die Hauptstadt Batavia eine Attrappe, ein ungesundes Geflecht aus Kanälen, nachgestelltes Kleinamsterdam, fauliges stehendes Wasser der Heimat, in dem alles verdirbt, nur die Mücke gedeiht. Die Tage sind kurz, und man stirbt hier so schnell, dass wenig Zeit bleibt für Briefe und noch weniger Zeit, eine Antwort zu schreiben, falls man Absender lebend erreichen will, denn das Meer ist ein langer, wässriger Postweg, der Tode vertuscht, die Trauer verzögert und jede Gemeinschaft unmöglich macht.
    Das weiß Schwoerer genau. Nacht für Nacht erscheint er auf meinem Balkon, die Kugel im Kopf vom Mondlicht beleuchtet, und erzählt wieder und wieder dieselbe Geschichte, bis aus der doppelt gewendeten Kränkung wieder die alte Ehre wird, die jeden auf seinen Platz verweist. Mich auf den Balkon, die Wirtin ins Zimmer und Junghuhn bei Wasser und Brot in die Festung, mit Reiseverbot auf Lebenszeit. Aber ich höre ihn nur mit dem halbem Ohr, auch wenn Schwoerer womöglich mehr weiß, als er sagt. Vielleicht ist er wirklich dabei gewesen, als Junghuhn das tropische Festland betritt und die Tropen für immer zur Heimat erklärt. Briefträger Schwoerer, sage ich leise, öffne die Tasche, dann werde ich wissen, was er wirklich geschrieben hat. Und Schwoerer legt seinen Kopf auf die Seite und lacht.
    Papier und kein einziger Brief dabei, Junghuhn schreibt keine Briefe. Er weiß, er hat keine Zeit zu verlieren, er füllt seine Seiten mit Wirklichkeit. Alles ist da, weil er zeichnet, was er sieht, weil er sieht, was er schreibt, weil er schreibt, wie er zeichnet und niemals versucht hat, ein Dichter zu sein. Briefträger Schwoerer, sage ich leise, als hätte ich wirklich Post erwartet, der eine geht weg, der andere bleibt, der eine ist längst in den Krater gestiegen, der andere nur auf seinen Balkon, der eine schreibt Briefe, der andere trägt aus, und der dritte verbringt sein Leben damit, auf ungeschriebene Briefe zu warten, anstatt sich endlich die Kugel zu geben.

    Und während ich auf diese Briefe warte, auf Postkarten mit der Spur einer Beute, eine Ansichtskarte zum Thema Landschaft, hat Junghuhn längst neues Festland betreten. Sein Glück in Batavia heißt Doktor Fritze, der Junghuhn auf einen Blick erfasst und erkennt, dass der Mann gar kein Arzt ist, sondern ein Bergchirurgius erster Klasse. Ein Frischluftmensch und kein Mann für die Zelte, der, wenn er an seinem Schreibtisch sitzt, nur so tut, als läse er Krankenakten, in Wahrheit aber Tabellen führt und Listen anlegt, um Schritt für Schritt die Natur zu benennen, jeden Baum, jedes Blatt, jedes Tier, jeden Stein, jeden Wechsel von Wind, Licht und Witterung. Im Schnitt berechnet, gedruckt kalkuliert und umgelegt auf etwa zehn Jahre, vier Seiten pro Woche. Und alles auf Knien und Steinen verfasst!
    Doktor Fritze beurlaubt den Mann für die Berge, er lässt ihn an langer Leine laufen, seinen Schatzsucherhund, der Gewinn verspricht. Denn

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