Verbrecher und Versager.
vorziehen, aufrecht zu gehen, Käfige über die Köpfe gestülpt, auf ein Schiff, das sie weiter nach Ceylon bringt.
Bauchladenmann, jetzt schlägt deine Stunde, denn längst bist du ein Makler geworden, der von klein auf besser als andere weiß, wie man Menschen und Tiere auf Schiffe verlädt, um sie über das Meer zu bringen, bis sie im Hafen von Colombo völlig erschöpft und für immer gefangen das Festland betreten. Willkommen im Tropenparadies, wo Palmen hinter Stacheldraht wachsen und der Bauchladenhandel fantastisch blüht, weil die Engländer alles Mögliche brauchen. Rohrstöcke, Netze, Käfige, Bürsten, vor allem Tabak und Whiskey und Wein, damit sie nicht unnötig Reue befällt, wenn sie abends nach fünf am Feuer sitzen und Lieder singen, die keiner versteht.
Nur der Onkel versteht genau, was sie singen, er kennt das Lied und die Melodie, weil er sämtliche Sprachen spricht. Denn er will seinen eigenen Hausstand gründen, einen eigenen Garten mit Cocusplantagen, das ist der nützlichste Baum der Welt. Aber selbst um nützliche Bäume zu pflanzen, braucht man Geld, weshalb er nicht nur mit den Engländern handelt, sondern ganz nebenbei mit dem Rest der Welt. Und der Rest der Welt steht auf Kriegsfuß mit China, und China steht gegen den Rest der Welt. Und die Welt versucht, China ins Knie zu zwingen, nur dass China sich immer wieder erhebt, ein einziges sinnloses Stehen und Fallen, ein Boxeraufstand, der Kräfte verbraucht und riesige Mengen an Nahrung verschlingt.
So wird der Onkel zum Überseeschiachter. Bestellung aus Deutschland, tausend indische Ochsen, die der Onkel in Ceylon auf Schiffe verlädt und von dort aus weiter nach China verschifft, in der Hoffnung, dass sie nicht seekrank werden, denn die Seekrankheit fährt jedem Tier in die Knochen und macht das Fleisch zäh und unverdaulich. Doch im Krieg, wie man weiß, frisst der Mensch alles.
Nur der Onkel versteht etwas vom besseren Leben. Wer gelernt hat, zwischen den Fronten zu kämpfen, behält immer das beste Stück Fleisch für sich. Der Handlanger wird zum Plantagenbesitzer, der Plantagenbesitzer ein reicher Mann, mit Haus und Hof und eigenen Trägern, vielleicht sind auch Frauen und Kinder im Spiel, von denen nirgends die Rede ist. Denn das ist die schönste Zeit seines Lebens, sein eigener Herr und ein eigener Hausstand. Und endlich darf er ein Jäger werden, ein Mann des Urwalds, der großen Gefahren, der wieder und wieder die Insel bereist und von dort aus weiter das indische Festland. Ein Kenner der Gegend, der sich die Erde Untertan macht, der jeden Baum kennt und jeden Busch, der jedes Tier schon von weitem riecht, der weiß, wie man Elefanten fängt und wie man sie hinterher handzahm macht. Meister der Gruben und Strategien, Meister des Fallstricks, des Gewehrs und der Peitsche, Meister der Zeit, Spezialist in Geduld.
Fünfundzwanzig Jahre Ceylon! Das ist das Lieblingsbuch meines Vaters, das er wieder und wieder von vorne liest, zwischen einem Aktengang und dem nächsten? Eine Perlenkette von Anekdoten, als der Onkel ein großer Gastgeber war, der alle in seinem Haushalt empfing, Kapitäne, Jäger und Hasardeure, Haudegen, Grafen, Schmuggler und Händler. Auch Missionare waren dabei und zusammen mit anderen Zauberkünstlern vermutlich sogar ein paar Reise- schriftsteiler. Spezialisten der wahren Erfindung. Tagsüber unerbittliche Händler und nach Feierabend mit Hilfe von Gin ein fröhlicher Club von Illusionisten, die der Wirklichkeit von der Schaufel sprangen, indem sie betrunken in Brunnen fielen oder auf Riesenschildkröten ritten, so lange, bis ein Film daraus wurde, den ich wieder und wieder von vorn sehen will, um endlich mit von der Partie zu sein, weil es dort warm und dunkel ist.
Willkommen im Tropenparadies! Ein echter Kostümfilm mit falschen Menschen, mit falschen Affen und Kokosnüssen, mit Tigern, die man hypnotisiert, so wie man die ganze Welt hypnotisiert, als hätte die Welt diesen Trick nicht begriffen, nämlich, wie man einfach die Augen schließt und versucht zu vergessen, was wirklich ist, indem man den Kopf in den Nacken legt und so tut, als wären dort oben Sterne, während unten die Katastrophe lauert, der man nicht länger entrinnen kann, denn längst hat der Krieg Europa erreicht.
Also wird der Onkel alles verlieren. Er wird alles verlieren, woran sein Herz hängt, obenauf sein ganzes Vermö- gen, auch wenn er sich weigert, daran zu glauben. Aber diesmal hat sich der Onkel getäuscht. Der
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