Verdammnis der Lust (Band 1)
ließ zu allem Unglück auch noch ihr Gedächtnis nach und ich musste ihr Tagesabläufe und Sachverhalte, die sonst selbstverständlich für sie waren, immer wieder neu erklären. „Ich muss jetzt zur Arbeit, aber Sheila kommt gleich und macht dir das Frühstück.“
Verschlafen nickte meine Tante und schloss wieder ihre Augen. Als ich aus dem Zimmer ging, war sie schon wieder eingeschlafen.
Auf der Arbeit krochen die Minuten nur so dahin. Immer wieder blickte ich auf die Uhr, doch es half nichts. Noch vier Stunden würde ich mit einem gezwungenen Lächeln überteuerten Kaffee und pappsüße Cupcakes verkaufen müssen. Ich sehnte mich nach einer Pause von der nervenden Kundschaft, die heute besonders schlimm war, und setzte mich kurz auf den Hocker neben das Ungetüm von Kaffeemaschine.
Als sich die Eingangstür erneut öffnete, schaute ich nicht auf. Sollte doch meine ätzende Kollegin Piper den Kunden bedienen. Doch als eine leicht nasale Stimme, die mir leider mehr als bekannt war, an mein Ohr drang, zuckte ich zusammen. Das durfte nicht wahr sein! Jed er andere Mensch war mir jetzt recht, aber nicht sie! Ausgerechnet meine ehemalige Klassenkameradin Danielle, die mich meine ganze Schulzeit über in den Wahnsinn getrieben hatte, stand in ihrer pelzbesetzten Designerjacke vor der Theke und studierte das Angebot.
„Entschuldigung, arbeitet hier auch irgendjemand?“, ihre künstlichen Fingernägel trommelten nervös auf dem blank polierten Holz herum und trieben sofort meinen Puls vor Wut in die Höhe.
Da Piper sich wahrscheinlich wieder eine Zigarettenpause genehmigte, ergab ich mich meinem Schicksal und stand auf.
„Ach, das ist ja ein Zufall!“ Affektiert strich Danielle sich ihre rotbraunen Haare zurück, die ihr bis zur Taille reichten. „Ich wusste gar nicht, dass du hier arbeitest.“
Ich nickte ihr höflich zu und betete zu Gott, dass diese Ziege mit ihrem Kaffee sofort wieder verschwinden würde. „Was darf es für dich sein?“
„Einen großen Karamell Macchiato mit laktosefreier Milch und einem Hauch von Ceylon Zimt.“ Danielle schaute sich abschätzend in dem kleinen Coffeeshop um, als hätten wir noch nie etwas von Laktoseintoleranz gehört.
Es kostete mich einige Mühe, nicht die Augen zu verdrehen. Manche Menschen würden sich nie ändern. Schon in der Schule hatte sie alle mit ihren Sonderwünschen tyrannisiert.
Danielle beäugte kritisch jeden meiner Handgriffe. „Und den Zimt bitte sofort in den Kaffee rühren, nicht auf den Milchschaum streuen, ja?“
„Natürlich.“ Ich gab eine extra große Portion Zimt in den Becher und hoffte, dass sie daran ersticken würde.
„Weißt du“, ihre Stimme nahm den belehrenden Ton an, der mich seit jeher auf die Palme gebracht hatte. „Als ich letztes Jahr mein Auslandsemester an der Columbia in New York absolviert habe, begann ich jeden Morgen mit einen Karamell Macchiato mit Zimt.“
„Wirklich?“, ich versuchte einen halbwegs interessierten Tonfall hinzubekommen und verzierte die Haube aus Milchschaum mit klebrigem Karamellsirup.
„Ja, und nächsten Monat fliege ich wieder dorthin, denn dann beginnt mein Praktikum im MoMA. Stell dir vor, ich wurde aus 500 Bewerbern ausgewählt.“
„Echt?“, ich knirscht e mit den Zähnen und vermutete - wie immer - das Checkheft ihres Vaters als das Aussagekräftigste ihrer Argumente.
Danielle kramte in ihrem Portemonnaie herum und knallte mir das abgezählte Geld auf die Theke. „Ja, total super, oder?“
Ich nickte nur, da ich befürchtete, dass mir ein kindischer Kommentar herausrutschen könnte, welcher garantiert eine Diskussion herausfordern würde, die ich an meinem Arbeitsplatz unter allen Umständen vermeiden wollte.
„Es ist einfach total wichtig für den Lebenslauf, dass man einige Praktika im Ausland absolviert hat. Mein Vater sagt immer …“
Genervt stellte ich meine Ohren auf Durchzug und stülpte den Deckel auf den Pappbecher. Hoffentlich würde Danielle in New York einen reichen Trottel finden, den sie vor den Altar schleifen konnte, dann würde sie mir hier in London nicht andauernd über den Weg laufen. Denn wie es der Zufall so wollte, traf ich stets die Leute, die mir am meisten auf die Nerven gingen.
Danielle nahm ihren Kaffee, flötete noch einen garantiert nicht ehrlich gemeinten Gruß und rauschte wieder aus dem Coffeeshop.
Erleichtert wandte ich mich dem nächsten Kunden zu. Jetzt konnte der Tag eigentlich nur noch besser werden. Doch während ich einen
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