Verdammnis
gut.«
Paolo Roberto lachte wieder.
»Da ich der Trainer war, trat ich vor und tat so, als wollte ich ein paar Boxhiebe auf sie loslassen.«
»Ups.«
»Ja, so ungefähr. Plötzlich verpasste sie mir einen Bombenschlag direkt aufs Maul.«
Er lachte erneut.
»Ich stand da und blödelte ja nur herum, also war ich total unvorbereitet. Sie landete zwei, drei Schläge, bevor ich überhaupt parieren konnte. Also, sie hatte kein bisschen Muskelkraft, und wenn sie zuschlug, war es, als würde einen eine Feder treffen. Aber als ich anfing, ihre Schläge zu parieren, wechselte sie die Taktik. Sie boxte ganz instinktiv und landete noch mehr Treffer. Also begann ich ernsthaft abzuwehren und entdeckte, dass das Mädchen schneller war als ein verdammtes Reptil. Wenn sie größer und stärker gewesen wäre, dann hätte sie mir einen ganz schönen Kampf geliefert, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ich verstehe durchaus.«
»Und dann änderte sie ihre Taktik noch mal und verpasste mir voll eins in den Schritt. Und der Schlag war sehr gut spürbar.«
Mikael nickte.
»Also schlug ich zurück und traf sie ins Gesicht. Ich meine, es war kein harter Schlag oder so, einfach nur so ein lockerer Puff. Da trat sie mich plötzlich gegen das Knie. Also, das war echt völlig verrückt. Ich war dreimal so groß und schwer, und sie hatte überhaupt keine Chance, aber sie drosch auf mich ein, als ginge es um ihr Leben.«
»Sie hatten Sie aufgezogen.«
»Das wurde mir dann auch klar. Und ich hab mich dafür geschämt. Ich meine … wir hatten Plakate geklebt und versucht, Jugendliche in den Klub zu locken, und dann kam sie und wollte boxen lernen, und wir ziehen sie einfach nur durch den Kakao. Ich wäre rasend geworden, wenn mich jemand so behandelt hätte.«
Mikael nickte abermals.
»Das ging dann noch ein paar Minuten so weiter. Zum Schluss hielt ich sie fest und drückte sie auf den Boden, bis sie aufhörte zu zappeln. Verdammt, sie hatte echt Tränen in den Augen und sah mich mit einem solchen Hass an, dass … tja.«
»Sie haben also angefangen, mit ihr zu boxen.«
»Als sie sich wieder beruhigt hatte, ließ ich sie aufstehen und fragte sie, ob es ihr ernst sei mit dem Boxenlernen. Sie warf die Handschuhe nach mir und ging zum Ausgang. Ich lief ihr hinterher und stellte mich vor sie. Ich entschuldigte mich bei ihr und sagte, wenn sie ernsthaft boxen lernen wollte, dann sollte sie am nächsten Tag um 17 Uhr wiederkommen.«
Er schwieg ein Weilchen und sah in die Ferne.
»Am nächsten Abend trainierte die Mädchengruppe, und sie tauchte tatsächlich auf. Ich stellte sie mit einem Mädchen namens Jennie Karlsson in den Ring, die 18 Jahre alt war und schon seit einem Jahr boxte. Das Problem war eben, dass wir niemand in Lisbeths Gewichtsklasse hatten, der älter als zwölf gewesen wäre. Ich sagte Jennie, sie solle behutsam vorgehen und die Schläge nur andeuten, weil Lisbeth völlig grün hinter den Ohren war.«
»Und, wie verlief der Kampf?«
»Ehrlich gesagt … Jennie hatte nach zehn Sekunden schon eine aufgeplatzte Lippe. Eine ganze Runde lang landete Lisbeth einen Treffer nach dem anderen und wich jedem von Jennies Versuchen aus. Und dabei sprechen wir von einem Mädchen, das noch niemals seinen Fuß in einen Ring gesetzt hatte. In der zweiten Runde war Jennie schon so sauer, dass sie ernsthaft zuschlug, aber sie konnte keinen einzigen Treffer anbringen. Ich war völlig sprachlos. Ich habe noch nie einen Boxer gesehen, der sich so schnell bewegt. Wenn ich nur halb so schnell wäre wie Salander, ich würde mich glücklich schätzen.«
Mikael nickte wieder.
»Salanders Problem war bloß, dass ihre Schläge nicht viel Wirkung hatten. Ich fing an, mit ihr zu trainieren. Ein paar Wochen behielt ich sie in der Mädchenabteilung, und sie verlor mehrere Kämpfe, weil früher oder später doch jemand einen Treffer landen konnte, und dann mussten wir abbrechen und sie in die Umkleide tragen, weil sie vor Wut raste und trat und biss und um sich schlug.«
»Klingt ganz nach Lisbeth.«
»Sie gab nie auf. Aber zum Schluss hatte sie so viele Mädchen gegen sich aufgebracht, dass der Trainer sie rauswarf.«
»Ja?«
»Ja, es war einfach unmöglich, mit ihr zu boxen. Sie hatte nur eine Taktik, die wir ›Terminator-Methode‹ nannten. Sie nietete den Gegner um, und dabei spielte es gar keine Rolle, ob das nur eine Aufwärmrunde oder freundschaftliches Sparring war. Die Mädchen gingen ziemlich oft mit Schürfwunden nach Hause,
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