Verdammnis
an der Tür klingelte. Mikael machte auf und bot dem Boxer einen Stuhl am Esstisch an, während er sich ein sauberes Hemd heraussuchte und einen doppelten Espresso machte, den er mit einem Teelöffel Milch servierte. Paolo Roberto sah beeindruckt auf seinen Kaffee.
»Sie wollten mit mir reden?«
»Das war Erika Bergers Vorschlag.«
»Okay, dann erzählen Sie mal.«
»Ich kenne Lisbeth Salander.«
Mikael zog die Augenbrauen hoch.
»Ach ja?«
»Ich war ein bisschen überrascht, als Erika Berger mir erklärte, dass Sie sie auch kennen.«
»Erzählen Sie mir das Ganze doch am besten von Anfang an.«
»Also, das war so: Vorgestern bin ich nach einem einmonatigen Aufenthalt in New York nach Hause gekommen und sah Lisbeths Gesicht auf jedem verdammten Schlagzeilenplakat. Die Zeitungen schreiben verdammt viel Scheiß über sie. Anscheinend hat keine verdammte Menschenseele auch nur ein einziges nettes Wort über sie zu sagen.«
»Dreimal ›verdammt‹. Sie scheinen ja ziemlich wütend zu sein.«
Paolo lachte.
»Tut mir leid. Aber ich bin wirklich ziemlich wütend. Ich habe Erika angerufen, weil ich reden wollte und nicht recht wusste, mit wem. Da dieser Journalist in Enskede für Millennium gearbeitet hat und ich Erika Berger zufällig kenne, hab ich sie angerufen.«
»Verstehe.«
»Auch wenn Lisbeth durchgedreht ist und all das getan hat, was die Polizei da behauptet, muss sie trotzdem eine faire Behandlung bekommen. Das ist hier immer noch ein Rechtsstaat, und hier darf kein Mensch verurteilt werden, bevor man ihn nicht angehört hat.«
»Genauso denke ich auch«, stimmte Mikael ihm zu.
»Das hat Erika mir auch gesagt. Als ich sie anrief, dachte ich, dass Sie bei Millennium auch hinter Lisbeths Skalp her sind, eben wegen diesem Journalisten Dag Svensson, der für Sie gearbeitet hat. Aber Erika hat mir erzählt, dass Sie Lisbeth auch für unschuldig halten.«
»Ich kenne Lisbeth Salander. Ich kann sie mir nur schwer als verrückte Mörderin vorstellen.«
Plötzlich lachte Paolo los.
»Verdammt, ja, sie ist wirklich eine total verrückte Braut … aber sie ist ohne Zweifel eine von den Guten. Ich mag sie sehr gern.«
»Woher kennen Sie sie?«
»Ich habe mit Salander geboxt, seit sie 17 war.«
Mikael Blomkvist schloss für zehn Sekunden die Augen, bevor er den Blick wieder hob und Paolo Roberto ansah. Lisbeth Salander war immer wieder für eine Überraschung gut.
»Selbstverständlich. Lisbeth Salander boxt mit Paolo Roberto. Sie sind ja auch ganz dieselbe Gewichtsklasse.«
»Ich mache keine Witze.«
»Ich glaube Ihnen. Lisbeth hat mir einmal erzählt, dass sie als Sparringspartner in irgendeinem Klub boxt.«
»Lassen Sie mich erzählen, wie das anfing. Vor zehn Jahren wurde ich Sondertrainer für die Junioren, die unten im Zinkens Klubb mit dem Boxen anfangen wollten. Ich war schon ein bekannter Boxer, und der Juniortrainer des Klubs meinte, ich wäre ein gutes Zugpferd, also kam ich an den Nachmittagen rein und machte Sparring mit den Jungs.«
»Aha.«
»Und dann blieb ich den ganzen Sommer über, bis in den Herbst hinein. Sie machten eine richtige Kampagne, mit Plakaten und so, und versuchten, Jugendliche zum Boxen zu bringen. Und in der Tat zog das ziemlich viele 15-, 16-jährige Jungs an, auch ein paar ältere. Ziemlich viele Einwandererkinder. Das Boxen war eine bessere Alternative, als in der Stadt abzuhängen und Randale zu machen. Fragen Sie mich. Ich weiß das aus eigener Erfahrung.«
»Okay.«
»Tja, und eines Tages mitten im Sommer taucht dieses schmächtige Mädchen aus dem Nirgendwo auf. Sie wissen doch, wie sie aussieht? Sie kam in den Klub und sagte, sie wollte boxen lernen.«
»Ich kann mir die Szene genau vorstellen.«
»Das gab natürlich ein Riesengelächter von den anderen Jungs, die alle doppelt so schwer und viel größer waren. Ich war auch einer von denen, die sich über Salander kaputtgelacht haben. Es war weiter nicht böse gemeint, aber wir zogen sie eben ein bisschen auf. Wir hatten auch eine Mädchenabteilung, und ich machte irgendeine blöde Bemerkung, dass kleine Mädchen immer am Donnerstag boxen oder so was.«
»Sie hat nicht gelacht, schätze ich.«
»Nee. Sie hat nicht gelacht. Sie sah mich nur an mit ihren schwarzen Augen. Dann griff sie sich ein Paar Boxhandschuhe, die jemand beiseite gelegt hatte. Sie waren nicht zugeschnürt und außerdem viel zu groß für sie. Und wir Männer lachten nur noch mehr. Verstehen Sie?«
»Das klingt gar nicht
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