Verdammnis
aggressiv anmachen konnten.
Doch Mikael fühlte sich von einem ganz anderen Typ Frau angezogen, nicht von enthusiastischen Teenagerpüppchen mit kurzen Miniröcken und wohlgeformten Körpern. Als er noch jünger war, waren seine Frauenbekanntschaften oft älter als er gewesen, in manchen Fällen sogar wesentlich älter und erfahrener. Je älter er wurde, umso mehr nivellierte sich dieser Altersunterschied. Die 25-jährige Lisbeth Salander war ein markanter Ausreißer nach unten auf seiner gewohnten Altersskala.
Aus diesen Gründen hatte er Erika um dieses eilige Treffen gebeten.
Millennium hatte eine Praktikantin vom Gymnasium eingestellt, um einer Bekannten von Erika einen Gefallen zu tun. Das war an und für sich noch nichts Ungewöhnliches, sie hatten jedes Jahr mehrere Praktikanten. Mikael hatte das 17-jährige Mädchen höflich begrüßt und recht bald festgestellt, dass ihr Interesse am Journalismus eher vage war. Sie wollte gern »im Fernsehen auftreten«, und (so vermutete Mikael) bei Millennium gearbeitet zu haben war offensichtlich gut für den Status.
Bald bemerkte er auch, dass sie keine Gelegenheit ausließ, um in näheren Kontakt mit ihm zu treten. Er tat so, als würde er ihre überdeutlichen Vorstöße nicht bemerken, womit er aber bloß bewirkte, dass sie ihre Anstrengungen prompt verdoppelte. Es war einfach nur noch anstrengend.
Erika Berger musste plötzlich loslachen.
»Du liebe Güte, du bist ein Opfer von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.«
»Ricky, die Sache geht mir schrecklich auf die Nerven. Ich will sie auf keinen Fall verletzen oder bloßstellen. Aber sie ist ungefähr so subtil wie eine rossige Stute. Ich mach mir schon Sorgen, was sie sich als Nächstes ausdenkt.«
»Mikael, sie ist verliebt in dich und einfach zu jung, um zu wissen, wie sie es anders ausdrücken soll.«
»Ich glaube, da täuschst du dich. Sie weiß verdammt gut, wie sie sich ausdrücken muss. Sie ist nur sauer, dass ich nicht anbeiße. Außerdem habe ich überhaupt kein Bedürfnis nach einer neuen Gerüchtewelle, die mich als geilen Mick Jagger auf der Jagd nach Frischfleisch dastehen lässt.«
»Okay. Ich verstehe das Problem. Sie hat also gestern Abend bei dir angeklopft.«
»Mit einer Flasche Wein. Sie meinte, sie sei gerade auf einer Party bei ›einem Bekannten‹ im Viertel gewesen, und tat so, als wäre es reiner Zufall, dass sie bei mir vor der Tür stand.«
»Was hast du gesagt?«
»Ich hab sie nicht reingelassen. Ich hab gelogen und behauptet, ich hätte gerade Damenbesuch.«
»Wie hat sie das aufgenommen?«
»Sie war stinksauer und ist abgezogen.«
»Und was meinst du, was ich da tun soll?«
»Halt sie mir vom Leib. Ich will am Montag mal ein ernstes Wörtchen mit ihr reden. Entweder hört sie auf damit, oder ich werfe sie aus der Redaktion.«
Erika Berger überlegte eine Weile.
»Nein«, sagte sie schließlich. »Sag nichts. Ich werde mit ihr reden.«
»Ich habe keine andere Wahl.«
»Sie sucht einen Freund, keinen Liebhaber.«
»Ich weiß nicht, was sie sucht, aber …«
»Mikael. Ich war auch mal in diesem Alter. Ich werde mit ihr reden.«
Wie alle anderen, die fernsehen oder eine Zeitung lesen, hatte auch Nils Bjurman von Mikael Blomkvist gehört. Er erkannte ihn jedoch nicht wieder - und wenn, dann hätte er auch nicht anders reagiert. Dass es eine Verbindung zwischen der Redaktion von Millennium und Lisbeth Salander gab, war ihm unbekannt.
Außerdem war er zu versunken in seine eigenen Gedanken, um seiner Umgebung Aufmerksamkeit zu schenken.
Jetzt, wo sich seine geistige Lähmung endlich gelöst hatte, begann er langsam seine Situation zu analysieren und überlegte, wie er Lisbeth Salander vernichten konnte.
Bei dieser Frage kreiste alles um ein einziges Hindernis.
Lisbeth Salander verfügte über einen neunzig Minuten langen Film, den sie mit einer versteckten Kamera aufgezeichnet hatte und auf dem detailliert zu sehen war, wie er sich an ihr vergriff. Er hatte den Film gesehen. Da blieb kein Raum für wohlwollende Interpretationen. Wenn die Behörden - oder schlimmstenfalls die Massenmedien - jemals Kenntnis von diesem Film bekämen, dann war es vorbei mit seinem Leben, seiner Karriere und seiner Freiheit. Er kannte die Strafen, die auf Vergewaltigung, Missbrauch von Schutzbefohlenen und schwere Körperverletzung standen, und schätzte, dass ihm dieser Film sechs Jahre Gefängnis einbringen würde. Ein übereifriger Staatsanwalt könnte ihn sogar des versuchten
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