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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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einholte. Ebenso offensichtlich war, dass Armanskij und Palmgren sich kannten und zwischendurch Informationen über ihren Schützling austauschten.
    Nils Bjurman merkte sich den Namen Dragan Armanskij gut. Unter all den Menschen, die in Lisbeth Salanders Leben auftauchten, gab es nur zwei, die als ihre Freunde gelten konnten und die sie beide als ihren Schützling betrachteten. Palmgren war von der Bildfläche verschwunden. Armanskij war der einzige Mensch, von dem noch eine potenzielle Bedrohung ausging. Bjurman beschloss, sich von Armanskij fernzuhalten und ihn nicht aufzusuchen.
    Die Ordner hatten vieles erklärt. Plötzlich begriff Bjurman, wie es möglich war, dass Lisbeth Salander so viel über ihn wusste. Doch blieb es ihm weiterhin ein Rätsel, wie sie herausbekommen hatte, dass er in aller Diskretion diese Klinik für plastische Chirurgie in Frankreich besucht hatte. Immerhin, ein großer Teil des Geheimnisses, das sie umgab, war gelüftet. Es war ihr Beruf, im Privatleben anderer Menschen herumzuschnüffeln. Gleichzeitig wurde er mit seinen eigenen Nachforschungen sehr vorsichtig, denn angesichts der Tatsache, dass Lisbeth Zugang zu seiner Wohnung hatte, war es ungünstig, dort Papiere über ihre Person zu verwahren. Also sammelte er sämtliche Unterlagen zusammen und brachte einen Karton in seine Sommerhütte bei Stallarholmen, wo er viel Zeit mit einsamen Grübeleien zubrachte.
    Je mehr er über Lisbeth Salander las, umso mehr war er davon überzeugt, dass sie ein völlig kranker Mensch war. Er schauderte, wenn er daran dachte, wie sie ihn mit Handschellen an sein eigenes Bett gekettet hatte. Er war ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert gewesen, und Bjurman zweifelte nicht daran, dass sie ihre Morddrohung wahr machen würde, wenn er sie noch einmal provozierte.
    Sie kannte überhaupt keine sozialen Hemmungen. Sie war eine kranke, lebensgefährliche Spinnerin. Eine entsicherte Handgranate. Eine Nutte.
    Holger Palmgrens Akte hatte ihm geholfen, den letzten Schlüssel zu finden. Bei mehreren Gelegenheiten hatte Palmgren ganz persönliche Tagebuchaufzeichnungen notiert, in denen er Gespräche mit Lisbeth Salander wiedergab. Ein verrückter Alter . In zweien dieser Gespräche hatte er den Ausdruck »als All Das Böse geschah« verwendet. Offensichtlich war das ein direktes Zitat von Lisbeth, aber was damit gemeint war, ging aus den Aufzeichnungen nicht hervor.
    Bjurman vermerkte verblüfft die Worte »All Das Böse«. Die Jahre im Erziehungsheim? Irgendein besonderer Übergriff? Eigentlich sollte doch alles in der umfassenden Akte dokumentiert sein, zu der er bereits Zugang hatte.
    Er schlug die Aufzeichnungen der psychiatrischen Untersuchung auf, der man Lisbeth mit 18 Jahren unterzogen hatte, und las sie zum fünften oder sechsten Mal genau durch. Da wurde ihm klar, dass es in seinem Wissen über Lisbeth Salander eine Lücke gab.
    Er besaß Aufzeichnungen der Grundschule, eine Bescheinigung, die bestätigte, dass Lisbeths Mutter unfähig war, sich um sie zu kümmern, daneben Berichte von diversen Erziehungsheimen während ihrer Teenagerzeit und die Untersuchung ihres geistigen Zustands als 18-Jährige.
    Irgendetwas musste ihre Verrücktheit ausgelöst haben, als sie zwölf Jahre alt war.
    Aber es gab noch weitere Lücken in ihrer Biografie.
    Zuerst entdeckte er zu seiner großen Überraschung, dass Lisbeth Salander eine Zwillingsschwester hatte, die in den anderen Dokumenten, die ihm zur Verfügung standen, nirgends erwähnt worden war. Mein Gott, es gibt zwei von der Sorte . Aber er konnte keine Hinweise darauf finden, was mit ihrer Schwester geschehen war.
    Ihr Vater war unbekannt, und es fand sich auch keine Erklärung, warum ihre Mutter sie nicht länger hatte versorgen können. Bjurman war früher davon ausgegangen, dass sie krank geworden war und dass im Zusammenhang mit diesen Geschehnissen der ganze Prozess mitsamt Lisbeths Besuchen in der Kinderpsychiatrie seinen Lauf genommen hatte. Jetzt war er jedoch überzeugt davon, dass ihr irgendetwas passiert war, als sie zwölf oder dreizehn Jahre alt war. All Das Böse . Irgendein Trauma. Aber nirgendwo war zu erfahren, worin All Das Böse bestand.
    Im psychiatrischen Untersuchungsbericht fand er schließlich einen Hinweis auf ein beigefügtes Schriftstück, das ihm fehlte - das Aktenzeichen einer polizeilichen Ermittlung vom 12. 03. 1991. Das Aktenzeichen war handschriftlich am Rand der Kopie vermerkt worden, die er aus den Kisten und Kästen der

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