Verdammnis
stand er auf. Seine Kleider waren feucht. Er war zugleich erleichtert und beunruhigt.
Das Klügste wäre es gewesen, sich jetzt zurückzuziehen und die Polizei zu benachrichtigen. Aber sein Handy war mausetot. Außerdem hatte er nur eine vage Vorstellung, wo er sich befand, und war sich nicht sicher, ob er den Weg korrekt beschreiben könnte. Zudem hatte er keine Ahnung, was in diesem Gebäude gerade mit Miriam Wu geschah.
Er beschrieb einen großzügigen Halbkreis um das Haus und stellte fest, dass es offenbar nur einen Eingang gab. Zwei Minuten später stand er wieder vor der Tür und musste einen Entschluss fassen. Paolo hatte nicht den geringsten Zweifel, dass der blonde Riese ein bad guy war. Er hatte Miriam Wu misshandelt und gekidnappt. Doch Paolo hatte nicht allzu viel Angst - sein Selbstvertrauen war groß genug, und er wusste, dass er sich in einer Schlägerei jederzeit seiner Haut wehren konnte. Die Frage war nur, ob der Mann im Gebäude bewaffnet war und ob sich noch mehr Personen darin befanden. Er zögerte.
Die Einfahrt war breit genug, dass Lastwagen problemlos hindurchfahren konnten. Daneben gab es noch eine ganz normale Eingangstür. Paolo drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür. Er betrat eine große, erleuchtete Lagerhalle, voll mit Gerümpel, alten Kartons und Müll.
Miriam Wu spürte die Tränen über ihre Wangen laufen. Sie weinte nicht so sehr wegen der Schmerzen, sondern weil sie sich so hilflos fühlte. Während der Fahrt hatte der Riese sie wie Luft behandelt. Als der Lieferwagen zum Stehen kam, hatte er ihr das Klebeband vom Mund gerissen. Ohne jede Anstrengung hatte er sie hochgehoben, hineingetragen und auf den Zementboden fallen lassen, ohne Rücksicht auf ihre Bitten oder Proteste. Als er sie ansah, waren seine Augen kalt wie Eis.
Und plötzlich wusste Miriam Wu, dass sie in dieser Lagerhalle sterben würde.
Er drehte ihr den Rücken zu und ging zu einem Tisch, wo er eine Flasche Mineralwasser aufmachte und in langen Schlucken trank. Da er ihre Beine nicht gefesselt hatte, konnte Miriam Wu aufstehen.
Als er sich zu ihr umdrehte, grinste er. Er war näher an der Tür als sie. Sie hatte nicht die geringste Chance, an ihm vorbeizukommen. Resigniert ging sie wieder in die Knie und bekam eine rasende Wut auf sich selbst. Ich werde mich hier nicht kampflos geschlagen geben, verdammt! Sie stand wieder auf und biss die Zähne zusammen. Na komm schon, du beschissener Fettsack.
Da ihre Hände immer noch auf dem Rücken gefesselt waren, fühlte sie sich ungeschickt und hatte Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht, aber als er auf sie zuging, drehte sie sich im Kreis und suchte eine Lücke in seiner Deckung. Blitzschnell führte sie einen Tritt gegen seine Rippen aus, wirbelte einmal um ihre eigene Achse und wollte ihn in den Schritt treten. Sie traf nur seine Hüfte, ging einen Meter zurück und wechselte das Bein für den nächsten Angriff. Durch ihre gefesselten Hände fehlte ihr das nötige Gleichgewicht, um ihn ins Gesicht zu treffen, aber ihr gelang ein heftiger Tritt gegen sein Brustbein.
Er streckte nur eine Hand aus, packte sie an der Schulter und drehte sie herum, als wäre sie eine Pappfigur. Dann schlug er ihr mit der Faust, gar nicht mal besonders hart, in die Nierengegend. Miriam Wu schrie auf wie eine Verrückte, als ihr der lähmende Schmerz durch den Bauch schoss, und sank wieder auf die Knie. Nachdem er ihr noch eine Ohrfeige versetzt hatte, stürzte sie zu Boden. Dann hob er den Fuß und trat sie in die Seite. Mimmi blieb die Luft weg, und sie hörte, wie eine ihrer Rippen brach.
Paolo Roberto bekam von alldem nichts mit, doch plötzlich hörte er einen gellenden Schrei, der sofort wieder verstummte. Er drehte den Kopf und biss die Zähne zusammen. Es gab noch einen weiteren Raum hinter einer Trennwand. Lautlos durchquerte er die Halle und blickte vorsichtig durch die Türöffnung. Genau in diesem Moment drehte der blonde Riese Miriam Wu auf den Rücken. Er verschwand für ein paar Sekunden aus seinem Blickfeld, um mit einer Motorsäge zurückzukommen, die er vor Miriam Wu auf den Boden stellte. Paolo Roberto zog die Augenbrauen hoch.
»Ich möchte eine Antwort auf eine ganz einfache Frage.«
Der Riese hatte eine seltsam helle Stimme, als hätte er keinen richtigen Stimmbruch gehabt. Paolo konnte einen ganz leichten Akzent ausmachen.
»Wo ist Lisbeth Salander?«
»Ich weiß es nicht«, murmelte Miriam Wu.
»Falsche Antwort. Du bekommst noch eine
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