Verdammnis
allen drei Schlägen Treffer im Gesicht.
Der blonde Riese boxte weiter in Zeitlupe und schlug mit der Rechten zurück. Paolo konnte den Schlag schon lange im Voraus ahnen und duckte sich unter der gewaltigen Faust weg. Er sah, wie der Riese das Körpergewicht verlagerte, und wusste, dass er eine Linke nachlegen wollte. Statt abzuwehren, beugte Paolo sich einfach zurück und ließ den linken Haken vor seiner Nase vorbeizischen. Er antwortete mit einem mächtigen Hieb seitlich unter die Rippen. Als der Riese sich umdrehte, um den Angriff abzufangen, schoss Paolos Faust mit einem linken Haken hoch und traf ihn abermals genau auf die Nase.
Plötzlich spürte er, dass alles, was er jetzt tat, genau das Richtige war. Allmählich gewann er die Kontrolle über den Kampf zurück. Sein Gegner war in der Defensive. Er blutete aus der Nase und lächelte nicht mehr.
Dann trat der blonde Riese plötzlich zu.
Sein Fuß schoss hoch und traf Paolo Roberto völlig überraschend. Rein gewohnheitsmäßig hatte er sich innerhalb des Boxreglements geglaubt und erwartete somit keine Tritte. Es fühlte sich an, als würde ihn oberhalb des Knies ein Vorschlaghammer auf den Schenkel treffen, und im selben Moment zuckte ihm ein stechender Schmerz durchs Bein. Nein . Er trat einen Schritt zurück und stolperte wieder über irgendwelches Gerümpel.
Der Riese blickte auf ihn herab. Für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke. Die Botschaft war unmissverständlich: Der Kampf ist vorbei .
Doch dann weiteten sich die Augen des Riesen, als Miriam Wu ihn von hinten in den Schritt trat.
Jeder Muskel in Miriam Wus Körper schmerzte, aber irgendwie hatte sie es geschafft, ihre gefesselten Hände unter ihrem Hintern nach vorn zu ziehen. In ihrem Zustand war das eine akrobatische Leistung erster Güte.
Ihr taten die Rippen weh, der Nacken, der Rücken und die Nieren, und sie konnte kaum aufrecht stehen. Schließlich taumelte sie zur Tür und riss die Augen auf, als sie sah, wie Paolo Roberto - wie kommt der denn hierher? - dem blonden Riesen einen rechten Haken und eine Reihe von Schlägen ins Gesicht verpasste, bevor er stürzte.
Miriam Wu war es völlig egal, wie und warum Paolo Roberto hier aufgetaucht war. Er war einer von den good guys . Zum ersten Mal in ihrem Leben verspürte sie eine geradezu mörderische Lust, einen anderen Menschen zu verletzen. Sie machte ein paar schnelle Schritte und mobilisierte all ihre Energie und jeden Muskel, der an ihrem Körper noch intakt war. Dann trat sie ihm mit voller Wucht von hinten zwischen die Beine. Nicht unbedingt elegantes Thaiboxen, aber der Tritt hatte den beabsichtigten Effekt.
Sie nickte. Die Typen konnten so groß wie Häuser sein und aus Granit gemacht, aber ihre Eier saßen doch immer an derselben Stelle.
Zum ersten Mal schien der blonde Riese verletzt. Er stöhnte gepresst, griff sich zwischen die Beine und stützte sich mit einem Knie auf den Boden.
Plötzlich packte er ihren Fuß und zog sie zu sich heran. Verzweifelt wand sie sich und versuchte, mit dem anderen Bein zuzutreten, während er bereits die Faust hob. Ihr Tritt traf ihn in derselben Sekunde, als sein Schlag seitlich auf ihrer Schläfe landete. Für Miriam Wu fühlte es sich an, als wäre sie aus voller Kraft gegen eine Wand gelaufen. Vor ihren Augen blitzte es auf, dann wurde es dunkel, dann wieder hell.
Der blonde Riese rappelte sich auf.
In diesem Moment schlug Paolo Roberto ihm mit dem Balken, über den er vorher gestolpert war, auf den Hinterkopf. Der blonde Riese stürzte vornüber und landete mit lautem Krachen auf dem Boden.
Paolo Roberto sah sich um. Alles kam ihm noch so unwirklich vor. Der blonde Riese wand sich auf dem Boden. Miriam Wu hatte einen glasigen Blick und schien benommen. Ihre vereinten Anstrengungen hatten ihnen nur eine kurze Atempause verschafft.
Paolo konnte mit seinem verletzten Bein kaum auftreten und vermutete, dass ihm ein Muskel über dem Knie gerissen war. Er hinkte zu Miriam Wu und zog sie auf die Füße. Ihr Blick war immer noch leer und unkonzentriert. Wortlos legte er sie über seine Schulter und hinkte in Richtung Ausgang. Der Schmerz in seinem rechten Knie war so heftig, dass er zeitweise auf dem anderen Bein hüpfte.
Es war ein befreiendes Gefühl, in die dunkle, kalte Nacht hinauszutreten. Aber er hatte keine Zeit, sich länger damit aufzuhalten. Er steuerte über den Kiesplatz auf den Wald zu, denselben Weg, den er gekommen war. Kaum war er zwischen den Bäumen angelangt,
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