Verdammnis
Sonja Modig von den Ermittlungen auszuschließen. Doch Ekström blieb stur. Das Verhältnis zwischen dem Ermittlungsleiter und dem Leiter der Voruntersuchung wurde langsam unhaltbar.
Um kurz nach drei Uhr nachmittags trat er auf den Flur und sah Niklas Eriksson aus Sonja Modigs Zimmer kommen, wo er immer noch den Inhalt von Dag Svenssons Festplatte sichtete. Was nach Bublanskis Ansicht nun eine ziemlich sinnlose Beschäftigung war, da dem jungen Mann dabei kein Polizist über die Schulter guckte und kontrollierte, ob er etwas übersah. Er beschloss, Niklas Eriksson für den Rest der Woche ebenfalls Curt Svensson zuzuteilen.
Bevor er etwas sagen konnte, verschwand Eriksson jedoch in der Toilette am Ende des Korridors. Bublanski zupfte sich am Ohr und ging zu Modigs Zimmer, um dort zu warten, bis Eriksson zurückkam. Er blieb in der Tür stehen und betrachtete den leeren Stuhl seiner Kollegin.
Dann fiel sein Blick auf Niklas Erikssons Handy, das auf dem Regal neben seinem Stuhl lag.
Bublanski zögerte eine Sekunde und schielte noch einmal zur immer noch geschlossenen Toilettentür. Dann folgte er seinem Impuls, steckte Erikssons Handy ein, ging rasch in sein Dienstzimmer und schloss die Tür. Er rief die Liste der Anrufe auf.
Um 9 Uhr 57, fünf Minuten nach Abschluss der stürmischen Morgenbesprechung, hatte Niklas Eriksson eine 070-Nummer angerufen. Bublanski griff zum Hörer und wählte die Nummer. Wer das Gespräch annahm, war niemand anders als der Journalist Tony Scala.
Der Inspektor legte auf und starrte Erikssons Handy an. Dann stand er mit finsterem Blick auf. Als er gerade zwei Schritte in Richtung Tür gegangen war, klingelte sein Telefon. Er ging zurück und bellte seinen Namen in den Hörer.
»Hier ist Jerker. Ich bin mit dem Lager bei Nykvarn fertig.«
»Aha.«
»Das Feuer ist gelöscht. Die letzten zwei Stunden haben wir den Tatort untersucht. Die Polizei von Södertälje hat einen Leichensuchhund mitgebracht, der das Gelände abschnüffeln sollte, für den Fall, dass jemand in den Ruinen liegt.«
»Und?«
»Da lag niemand. Aber dann haben wir eine Pause eingelegt, damit der Hund seine Nase ein bisschen ausruhen kann. Der Hundeführer meinte, das ist notwendig, weil die Gerüche nach so einem Brand zu stark sind.«
»Komm zur Sache.«
»Er ging spazieren und ließ den Hund in einiger Entfernung von der Leine. Prompt zeigte ihm der Köter eine Stelle, die ungefähr siebzig Meter hinter der Lagerhalle im Wald lag. Wir haben dort gegraben und vor zehn Minuten ein menschliches Bein mit Fuß und Schuh rausgeholt. Sieht nach einem Männerschuh aus. Die sterblichen Überreste lagen ziemlich nah an der Oberfläche.«
»O verdammt. Jerker, du musst …«
»Ich habe bereits das Kommando am Fundort übernommen und die Ausgrabungen abgebrochen. Ich will die Rechtsmedizin und ein paar ordentliche Techniker hier haben, bevor wir weitermachen.«
»Großartige Arbeit, Jerker.«
»Das ist noch nicht alles. Vor fünf Minuten hat der Köter achtzig Meter von der ersten Fundstelle entfernt einen weiteren Leichenfund angezeigt.«
Lisbeth Salander hatte Kaffee auf Bjurmans Herd gekocht, noch einen Apfel gegessen und zwei Stunden damit verbracht, Seite für Seite Bjurmans Unterlagen über sie durchzulesen. Sie war beeindruckt. Er hatte unglaubliche Anstrengungen in diese Aufgabe investiert und die Informationen geordnet, als wäre es ein leidenschaftliches Hobby. Einiges von dem Material, das er gefunden hatte, war nicht einmal ihr selbst bekannt.
Holger Palmgrens Aufzeichnungen in den zwei großen, schwarz eingebundenen Notizbüchern las sie mit gemischten Gefühlen. Er hatte damit begonnen, als sie 15 war und gerade ihren zweiten Pflegeeltern davongelaufen war, einem älteren Paar in Sigtuna, er Soziologe, sie Kinderbuchautorin. Lisbeth war zwölf Tage bei ihnen gewesen und hatte gespürt, dass sie unbändig stolz auf sich waren, so viel soziales Engagement zu zeigen. Als Lisbeth mit anhörte, wie ihre vorübergehende Pflegemutter sich vor einer Nachbarin lauthals rühmte und zum soundsovielten Mal erläuterte, wie wichtig es doch sei, sich problematischer Jugendlicher anzunehmen, war ihr endgültig der Kragen geplatzt. Ich bin kein verdammtes Sozialprojekt , hätte sie am liebsten jedes Mal geschrien, wenn ihre Pflegemutter sie ihren Bekannten vorführte. Am zwölften Tag stahl sie 100 Kronen aus der Lebensmittelkasse, nahm den Bus nach Upplands-Väsby und dann den Zug zum Stockholmer Zentralbahnhof. Die
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