Verdammnis
steckte sie in ihre Jackentasche.
Lisbeth machte ihr PowerBook zu, ließ den Computer jedoch auf dem Schreibtisch stehen. Den Inhalt der Festplatte hatte sie als verschlüsseltes Back-up ins Netz überführt und danach ihre Festplatte mit einem selbst geschriebenen Programm gelöscht, das garantierte, dass nicht einmal sie selbst den Inhalt rekonstruieren könnte. Sie rechnete nicht damit, das PowerBook zu brauchen, das wäre nur unnötiger Ballast. Stattdessen nahm sie ihren Tungsten-Palm-Handheld mit.
Lisbeth sah sich im Arbeitszimmer um. Sie hatte das Gefühl, nie wieder in die Wohnung in Mosebacke zurückzukehren, und dachte kurz daran, dass sie hier Geheimnisse zurückließ, die sie vielleicht lieber zerstören sollte. Aber dann warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr und sah ein, dass die Zeit bereits drängte. Ein letztes Mal sah sie sich noch um, dann schaltete sie die Schreibtischlampe aus.
Sie ging zu Milton Security, betrat das Gebäude durch die Garage und nahm den Fahrstuhl zur Rezeption. In den leeren Korridoren war niemand zu sehen, sodass sie problemlos den Autoschlüssel aus dem unverschlossenen Wandschrank nehmen konnte.
Dreißig Sekunden später war sie unten in der Garage und öffnete das Sicherheitsschloss des Corolla. Nachdem sie den Rucksack auf den Beifahrersitz geworfen hatte, stellte sie sich den Fahrersitz und den Rückspiegel ein. Mit ihrer alten Magnetkarte öffnete sie die Garagentür.
Kurz vor halb fünf am Morgen bog sie von Söder Mälarstrand auf die Västerbron. Es begann schon zu dämmern.
Mikael Blomkvist wachte um halb sieben auf. Er hatte sich keinen Wecker gestellt, aber trotzdem nur drei Stunden geschlafen. Gleich nach dem Aufstehen machte er sein iBook an, öffnete den Ordner »LISBETH SALANDER« und fand sofort ihre kurze Antwort.
Danke, dass Du mein Freund warst.
Mikael lief es kalt den Rücken hinunter. Das war nicht die Antwort, die er sich erhofft hatte. Das klang vielmehr nach Abschiedsworten. Lisbeth Salander allein gegen den Rest der Welt. Er schaltete die Kaffeemaschine ein und ging ins Bad. Dann zog er eine zerrissene Jeans an und stellte fest, dass er die letzten Wochen nicht mehr zum Waschen gekommen war, denn er hatte kein einziges sauberes Hemd mehr. Also zog er einen weinroten Collegepullover unter die Jacke an.
Als er sich in der Küche ein paar Brote machte, sah er plötzlich etwas Metallisches zwischen Mikrowelle und Wand aufblitzen. Er runzelte die Stirn und zog mithilfe einer Gabel einen Schlüsselbund hervor.
Lisbeths Schlüssel, die er nach dem Überfall in der Lundagatan gefunden hatte. Er hatte sie zusammen mit ihrer Tasche auf der Mikrowelle abgelegt, und dabei mussten sie heruntergerutscht sein. Als Sonja Modig die Tasche holte, waren die Schlüssel nicht dabei gewesen.
Mikael starrte den Schlüsselbund an. Drei große und drei kleine Schlüssel. Die drei großen waren für Haustür, Wohnung, Sicherheitsschloss. Ihre Wohnung. In der Lundagatan hatten sie nicht gepasst. Wo zum Teufel wohnte sie?
Er betrachtete die drei kleinen Schlüssel näher. Ein Schlüssel passte zu ihrer Kawasaki. Einer war ein typischer Schlüssel für einen verschließbaren Schrank. Er hielt den dritten Schlüssel hoch, der die Nummer 24914 trug. Die Erkenntnis traf ihn mit voller Wucht.
Ein Postfach. Lisbeth Salander hat ein Postfach.
Im Telefonbuch schlug er die Postämter in Södermalm nach. Sie hatte in der Lundagatan gewohnt. Der Ring war zu weit entfernt. Vielleicht Hornsgatan. Oder Rosenlundsgatan.
Er schaltete die Kaffeemaschine wieder aus, pfiff aufs Frühstück und fuhr mit Erikas BMW zur Rosenlundsgatan. Der Schlüssel passte nicht. Er fuhr weiter zum Postamt in der Hornsgatan. Der Schlüssel passte perfekt zum Postfach 24914.
Als er es öffnete, fand er zweiundzwanzig Briefe, die er ins Außenfach seiner Laptoptasche steckte.
Dann fuhr er die Hornsgatan hinunter, parkte am Kino und frühstückte erst einmal im »Copacabana«. Während er auf seinen Caffè Latte wartete, sah er die Briefe durch. Sie waren samt und sonders an Wasp Enterprises gerichtet. Neun Briefe aus der Schweiz, acht von den Cayman Islands, einer von den Kanalinseln und vier aus Gibraltar. Ohne große Gewissensbisse riss er die Kuverts auf. Die einundzwanzig ersten Briefe enthielten Kontoauszüge und Übersichten über diverse Konten und Fonds. Mikael Blomkvist stellte fest, dass Lisbeth Salander stinkreich war.
Der zweiundzwanzigste Brief war dicker. Die Adresse war
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