Verdammnis
beging. Ein gesetzestreuer Bürger müsste jetzt eigentlich zum Hörer greifen und Bublanski anrufen. Aber wenn er das tat, war er gezwungen, die Wahrheit über Lisbeth Salander zu erzählen. Sonst manövrierte er sich in eine ungute Situation zwischen Halblügen und vertuschten Tatsachen. Aber das war nicht das eigentliche Problem.
Lisbeth Salander war hinter Niedermann und Zalatschenko her. Mikael wusste nicht, wie weit sie schon gekommen war, aber wenn er und Malin das Postfach 612 in Gosseberga finden konnten, dann konnte Lisbeth das auch. Also war die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie sich schon auf dem Weg dorthin befand.
Wenn Mikael die Polizei anrief und erzählte, wo Niedermann sich versteckte, müsste er zwangsweise auch sagen, dass Lisbeth Salander vermutlich schon auf dem Weg zu ihm war. Sie war wegen dreifachen Mordes und dem Feuergefecht in Stallarholmen zur Fahndung ausgeschrieben. Was bedeutete, dass die Polizei ein Sonderkommando aufbieten würde, um sie zu fassen.
Und Lisbeth Salander würde mit der allergrößten Wahrscheinlichkeit Widerstand leisten.
Mikael griff zu Papier und Kuli und listete die Dinge auf, die er der Polizei nicht sagen konnte oder wollte.
Zuerst schrieb er »Adresse«.
Lisbeth hatte große Mühe darauf verwendet, sich eine heimliche Adresse zuzulegen, wo sie ihr Leben und ihre Geheimnisse geschützt wusste. Er wollte sie nicht verraten.
Dann schrieb er »Bjurman« und machte ein Fragezeichen dahinter.
Er warf einen Blick auf die CD, die vor ihm auf dem Tisch lag. Bjurman hatte Lisbeth vergewaltigt. Er hatte sie beinahe umgebracht und seine Stellung als ihr Betreuer skrupellos missbraucht. Doch Lisbeth hatte den Anwalt nicht angezeigt. Wenn er es jetzt tat und die intimen Details an die Presse durchsickerten - sie würde es ihm niemals verzeihen. Diese CD war Beweismaterial, und die Bilder darauf würden sich gar zu gut in der Klatschpresse machen.
Er überlegte eine Weile und beschloss dann, die Entscheidung Lisbeth zu überlassen. Aber wenn er es geschafft hatte, ihre Wohnung ausfindig zu machen, dann würde es der Polizei früher oder später auch gelingen. Also steckte er die CD in eine Hülle und verstaute sie in seiner Tasche.
Dann schrieb er »Björcks Ermittlungsbericht«. Der Bericht von 1991 war als »streng geheim« gekennzeichnet worden. Allerdings warf er ein Licht auf alles, was bisher geschehen war. Darin wurde Zalatschenko genannt und Björcks Rolle erklärt, und zusammen mit der Liste der Freier aus Dag Svenssons Computer war das genügend Stoff, um Bublanski so einige schweißtreibende Stunden zu bereiten. Dank der verräterischen Korrespondenz saß auch Peter Teleborian hübsch in der Tinte.
Der Ordner würde die Polizei nach Gosseberga führen … aber er hatte zumindest ein paar Stunden Vorsprung.
Schließlich startete er Word und listete in Stichpunkten alle wesentlichen Fakten auf, die er in den vergangenen vierundzwanzig Stunden durch die Gespräche mit Björck und Palmgren, aber auch durch das bei Lisbeth gefundene Material in Erfahrung gebracht hatte. Diese Arbeit kostete ihn eine knappe Stunde. Dann brannte er das Dokument auf eine CD, zusammen mit seinen eigenen Rechercheergebnissen.
Einen Moment überlegte er, ob er sich bei Dragan Armanskij rühren sollte, aber dann beschloss er, es zu lassen. Er musste auch so schon genügend Bälle in der Luft halten.
Mikael schaute in der Millennium -Redaktion vorbei, marschierte geradewegs in Erika Bergers Büro und zog die Tür hinter sich zu.
»Er heißt Zalatschenko«, begann er ohne jedes Grußwort, »und ist ein ehemaliger sowjetischer Auftragskiller des Nachrichtendienstes. 1976 ist er ausgestiegen, bekam eine Aufenthaltsgenehmigung für Schweden und ein Gehalt von der Sicherheitspolizei. Nach dem Sturz des Sowjetsystems wurde er wie so viele andere zum Vollzeitgangster und beschäftigt sich jetzt mit Mädchenhandel, Waffen und Rauschgift.«
Erika Berger legte ihren Stift aus der Hand.
»Warum überrascht es mich nicht, dass der KGB in dieser Geschichte auftaucht?«
»Nicht der KGB. Der GRU. Der militärische Nachrichtendienst.«
»Glaubst du, dass er Dag und Mia ermordet hat?«
»Nicht eigenhändig. Er hat jemanden geschickt. Ronald Niedermann, dessen Identität Malin herausgefunden hat.«
»Und das kannst du beweisen?«
»Weitgehend. Bjurman wurde umgebracht, weil er Zalatschenko gebeten hatte, ihm gegen Lisbeth zu helfen.«
Mikael erklärte, was er auf dem Film aus Lisbeths
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