Verdammnis
ihn eingeholt. Es war ein dünner, junger Mann um die 20. Er ging zu einem Renault und schloss die Tür auf. Lisbeth Salander prägte sich das Kennzeichen ein und rannte zurück zu ihrem Corolla, den sie hundert Meter weiter unten auf derselben Straße geparkt hatte. Als sie auf die Linnégatan einbog, hatte sie ihn bereits wieder eingeholt und folgte ihm in Richtung Nordstan.
Mikael Blomkvist erreichte den Zug pünktlich um 17 Uhr 10. Er setzte sich sogleich in den leeren Speisewagen, um ein spätes Mittagessen zu sich zu nehmen.
Er wurde die Sorge nicht los, dass er zu spät kam. Dass Lisbeth ihn anrufen würde, war nahezu ausgeschlossen.
1991 hatte sie schon einmal versucht, Zalatschenko zu töten. Jetzt, nach all den Jahren, hatte er zurückgeschlagen.
Holger Palmgren hatte mit der Analyse seines Schützlings genau richtig gelegen. Lisbeth Salander wusste aus eigener Erfahrung, dass es sich nicht lohnte, mit den Behörden zu sprechen.
Mikael warf einen Blick auf seine Laptoptasche. Er hatte den Colt mitgenommen, den er in Lisbeths Schreibtischschublade gefunden hatte. Warum er das tat, wusste er selbst nicht so recht, aber er spürte instinktiv, dass er ihn nicht in ihrer Wohnung hätte lassen dürfen. Gleichzeitig war ihm klar, dass seine Argumentation nicht ganz wasserdicht war.
Als der Zug über die Årsta-Brücke rollte, klappte er sein Handy auf und rief Bublanski an.
»Was wollen Sie?«, bellte Bublanski gereizt.
»Aufklären.«
»Was aufklären?«
»Diese ganze Geschichte. Wollen Sie wissen, wer die drei Morde auf dem Gewissen hat?«
»Wenn Sie Informationen haben, würde ich gerne daran teilhaben.«
»Der Mörder heißt Ronald Niedermann. Das ist dieser blonde Riese, mit dem Paolo Roberto sich geprügelt hat. Er ist deutscher Staatsbürger, 35 Jahre alt, und arbeitet für einen Kotzbrocken namens Alexander Zalatschenko, auch unter dem Namen Zala bekannt.«
Bublanski schwieg eine geraume Weile. Dann seufzte er laut. Mikael hörte, wie er ein Blatt Papier umdrehte und mit einem Kugelschreiber herumklickte.
»Und Sie sind da ganz sicher?«
»Ja.«
»Wo befinden sich Niedermann und dieser Zalatschenko?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber sobald ich es herausgefunden habe, werde ich es Ihnen sagen. In den nächsten Minuten kommt Erika Berger mit einem Ermittlungsbericht von 1991 zu Ihnen. In ihm finden Sie alle denkbaren Informationen über Zalatschenko und Lisbeth Salander.«
»Wie meinen Sie das?«
»Zalatschenko ist Lisbeths Vater. Er ist ein ehemaliger russischer Auftragskiller aus der Zeit des Kalten Krieges.«
»Russischer Auftragskiller?«, echote Bublanski mit zweifelnder Stimme.
»Ein paar Männer von der Sicherheitspolizei haben ihn jahrelang gedeckt.«
Mikael hörte, wie Bublanski sich einen Stuhl heranzog und sich hinsetzte.
»Ich glaube, es wäre das Beste, wenn Sie zu uns kommen und eine offizielle Zeugenaussage machen.«
»Sorry. Ich hab jetzt keine Zeit.«
»Wie bitte?«
»Ich bin im Moment nicht in Stockholm. Aber ich melde mich, sobald ich Zalatschenko gefunden habe.«
»Blomkvist … Sie brauchen nichts zu beweisen. Auch ich habe Zweifel an Salanders Schuld.«
»Darf ich Sie daran erinnern, dass ich nur ein einfacher Privatdetektiv bin, der keinen Schimmer von Polizeiarbeit hat?«
Er wusste, es war kindisch, aber er beendete das Gespräch, ohne sich zu verabschieden. Stattdessen rief er Annika Giannini an.
»Hallo, Schwesterherz.«
»Hallo. Gibt’s was Neues?«
»Könnte sein, dass ich morgen einen guten Anwalt brauche.« Sie seufzte.
»Was hast du angestellt?«
»Bis jetzt noch nichts Ernstes, aber ich könnte festgenommen werden wegen Behinderung polizeilicher Ermittlungen oder so ähnlich. Aber deswegen hab ich dich gar nicht angerufen. Du kannst mich nicht vertreten.«
»Warum nicht?«
»Weil ich will, dass du Lisbeth Salander verteidigst, und du kannst uns ja schlecht beide verteidigen.«
Mikael erzählte in Kurzform, worum es ging. Annika Gianninis Schweigen verhieß nichts Gutes.
»Und das kannst du alles beweisen?«, fragte sie schließlich.
»Ja.«
»Ich muss über die Sache nachdenken. Lisbeth braucht einen Fachanwalt für Strafrecht …«
»Glaub mir, du bist die perfekte Anwältin für sie.«
»Mikael …«
»Hör mal, Schwesterchen, warst du nicht stinksauer auf mich, weil ich dich nicht um Hilfe gebeten habe, als ich welche brauchte?«
Nachdem sie das Gespräch beendet hatten, überlegte Mikael eine Weile. Dann griff er nochmals
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