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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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schwieg und wand sich verlegen. Mimmi hatte das Thema angesprochen, das Lisbeth so peinlich und so schwer zu erklären fand. Mimmi hatte sie nackt gesehen und konnte gar nicht umhin, die Veränderung zu entdecken. Schließlich schlug sie die Augen nieder und murmelte etwas.
    »Ich hab mir Brüste machen lassen.«
    »Wie bitte?«
    Lisbeth blickte auf und hob die Stimme, ohne zu merken, dass sie einen trotzigen Ton angenommen hatte.
    »Ich bin in eine Klinik in Italien gegangen und hab mir richtige Brüste operieren lassen. Deswegen bin ich verschwunden. Seitdem bin ich durch die Gegend gereist. Und jetzt bin ich zurück.«
    »Machst du Witze?«
    Lisbeth sah Mimmi mit ausdruckslosem Blick an.
    »Gott, bin ich dumm. Du machst ja grundsätzlich keine Witze, Dr. Spock.«
    »Ich hab nicht vor, mich dafür zu entschuldigen. Ich bin nur ehrlich zu dir. Wenn du willst, dass ich gehen soll, musst du’s nur sagen.«
    »Hast du dir wirklich Brüste machen lassen?«
    Lisbeth nickte. Plötzlich begann Mimmi Wu schallend loszulachen. Lisbeths Blick verfinsterte sich.
    »Du darfst auf keinen Fall gehen, bevor ich gesehen habe, wie deine Brüste geworden sind. Bitte. Please .«
    »Mimmi, ich hab den Sex mit dir immer genossen. Dir war egal, was ich sonst so trieb, und wenn ich zu tun hatte, hast du eben jemand anders gefunden. Außerdem pfeifst du drauf, was andere Leute über dich sagen.«
    Mimmi nickte. In der Oberstufe war ihr bereits klar geworden, dass sie lesbisch war, und nach ein paar qualvollen, tastenden Versuchen wurde sie mit 17 Jahren in die Geheimnisse der Erotik eingeführt, als sie mit einer Bekannten auf ein vom RFSL, dem Reichsverband für sexuelle Gleichstellung, in Göteborg veranstaltetes Fest fuhr. Danach hatte sie nie wieder einen anderen Lebensstil in Erwägung gezogen. Einmal, mit 23, hatte sie mit einem Mann geschlafen und mechanisch das durchgeführt, was man von ihr erwartete. Aber es hatte ihr einfach nichts gegeben. Obendrein gehörte sie auch noch zu der doppelten Minderheit, die nicht im Geringsten an Ehe und Treue und Häuslichkeit interessiert ist.
    »Ich bin seit ein paar Wochen zurück in Schweden. Ich möchte wissen, ob ich ausgehen muss, um jemand aufzureißen, oder ob du immer noch Interesse an mir hast.«
    Mimmi stand auf und ging zu Lisbeth hinüber. Sie beugte sich zu ihr hinab und küsste sie zart auf den Mund.
    »Eigentlich wollte ich heute Abend lernen.«
    Sie machte den obersten Knopf von Lisbeths Bluse auf.
    »Aber scheiß drauf …«
    Sie küsste sie noch einmal und machte noch einen Knopf auf.
    »Das muss ich einfach sehen.«
    Sie küsste sie abermals.
    »Willkommen zu Hause.«
     
    Harriet Vanger schlief gegen zwei Uhr morgens ein, während Mikael Blomkvist wach lag und ihren Atemzügen lauschte. Schließlich stand er auf und nahm sich eine Dunhill aus der Schachtel in ihrer Tasche. Er setzte sich nackt auf einen Stuhl neben ihr und sah sie an.
    Er hatte nie vorgehabt, Harriet Vangers Liebhaber zu werden. Im Gegenteil, nach seiner Zeit in Hedestad hatte er eher das Bedürfnis empfunden, sich die Familie Vanger vom Leib zu halten. Im vergangenen Jahr hatte er Harriet nur auf ein paar Führungskreissitzungen getroffen und sich stets höflich distanziert verhalten. Sie kannten jeweils die verfänglichsten Geheimnisse des anderen, aber abgesehen von Harriets Verpflichtungen im Führungskreis von Millennium hatten sie praktisch nichts mehr miteinander zu tun gehabt.
    In den Pfingstferien des vergangenen Jahres fuhr Mikael zum ersten Mal seit Monaten wieder in seine Sommerhütte in Sandhamn, um einfach seinen Frieden zu haben, auf dem Bootssteg zu sitzen und einen Krimi zu lesen. Am Freitagnachmittag, ein paar Stunden nach seiner Ankunft, ging er zum Kiosk, um Zigaretten zu kaufen, und stieß dabei unerwartet auf Harriet. Sie hatte eine Pause von Hedestad gewollt und ein Wochenende in einem Hotel in Sandhamn gebucht, wo sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gewesen war. Als sie Schweden verließ, war sie 16 Jahre alt gewesen; als sie zurückkam, war sie 53. Mikael hatte sie im Ausland aufgespürt.
    Nach ein paar einleitenden Höflichkeitsphrasen hatte Harriet verlegen geschwiegen. Mikael kannte ihre ganze Geschichte, und sie wusste, dass er seinen Prinzipien Gewalt angetan hatte, um die schrecklichen Geheimnisse der Familie Vanger zu verheimlichen. Unter anderem ihretwegen.
    Nach einer Weile lud Mikael sie in seine Hütte ein. Er kochte Kaffee, und sie saßen stundenlang zusammen und redeten.

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