Verdammnis
hatte sich im Grunde nichts verändert. Der blonde Riese hatte ihm nur ausgerichtet, dass man Interesse an seinem Vorschlag habe - es sollte ihn 100 000 Kronen kosten.
Ein Stapel Postsendungen hatte sich auf dem Boden unter seinem Briefschlitz angesammelt. Er hob sie auf und legte sie auf den Küchentisch. Alles, was mit seiner Arbeit oder seiner sonstigen Umwelt zu tun hatte, interessierte ihn kaum noch, und so fiel sein Blick erst später wieder auf den Poststapel. Zerstreut sah er ihn durch.
Ein Brief war von der Handelsbank. Er riss das Kuvert auf und erlitt fast einen Schock, als er die Kopie eines Kontoauszugs sah, auf dem eine Auszahlung von 9312 Kronen von Lisbeth Salanders Konto verzeichnet war.
Sie war zurück.
Er ging in sein Arbeitszimmer und legte das Dokument auf seinen Schreibtisch. Mit hasserfülltem Blick betrachtete er das Papier, während er seine Gedanken zu sammeln versuchte. Er musste die Telefonnummer heraussuchen. Dann tippte er die Nummer auf einem Handy mit Prepaidkarte ein. Der blonde Riese antwortete mit seinem leichten Akzent.
»Ja?«
»Hier ist Nils Bjurman.«
»Was wollen Sie?«
»Sie ist wieder in Schweden.«
Am anderen Ende blieb es einen Moment lang still.
»Gut. Rufen Sie diese Nummer nicht mehr an.«
»Aber …«
»Sie bekommen bald Nachricht von uns.«
Zu seinem großen Ärger wurde das Gespräch unterbrochen. Bjurman fluchte innerlich. Dann ging er zu seiner Minibar im Wohnzimmerschrank und goss sich ungefähr einen Deziliter Kentucky Bourbon ein. Mit zwei Schlucken leerte er das Glas. Ich darf nicht mehr so viel trinken, dachte er. Dann goss er sich noch mal zwei Deziliter ein und nahm das Glas mit an den Schreibtisch, wo er erneut den Bescheid von der Handelsbank betrachtete.
Miriam Wu massierte Lisbeth Salander den Rücken und den Nacken. Sie knetete sie zwanzig Minuten intensiv durch, während Lisbeth sich mit dem einen oder anderen zufriedenen Seufzer begnügte. Eine Massage von Mimmi war wunderbar, und sie fühlte sich wie ein Katzenbaby, das nur noch schnurren und mit den Pfoten in der Luft strampeln will.
Sie unterdrückte einen enttäuschten Seufzer, als Mimmi ihr auf den Hintern klatschte und meinte, das sei jetzt genug. Eine Weile blieb sie noch liegen, in der Hoffnung, Mimmi könnte doch noch weitermachen, aber als Mimmi sich nach ihrem Weinglas reckte, drehte sie sich auf den Rücken.
»Danke«, sagte sie.
»Ich glaube, du sitzt den ganzen Tag nur bewegungslos vor dem Computer. Deshalb hast du auch Rückenschmerzen.«
»Ich hab mir nur einen Muskel gezerrt.«
Die beiden lagen nackt auf Mimmis Bett in der Lundagatan, tranken Rotwein und waren in ziemlich alberner Stimmung. Seit Lisbeth das Verhältnis mit Mimmi wieder aufgenommen hatte, schien sie nicht genug von ihr bekommen zu können. Mittlerweile hatte sie die Unsitte angenommen, Mimmi jeden oder jeden zweiten Tag anzurufen - viel zu oft also. Sie betrachtete Mimmi und dachte daran, dass sie sich eigentlich nicht noch einmal so sehr an jemanden binden wollte. Das konnte damit enden, dass jemand verletzt wurde.
Plötzlich lehnte sich Miriam rückwärts über die Bettkante und zog die Schublade ihres Nachttischchens auf. Sie holte ein kleines flaches Paket mit geblümtem Geschenkpapier und einer goldenen Schleife heraus. Sie warf es Lisbeth in den Schoß.
»Was ist denn das?«
»Dein Geburtstagsgeschenk.«
»Ich habe aber erst in über einem Monat Geburtstag.«
»Dein Geburtstagsgeschenk vom letzten Jahr. Da konnte ich dich nirgends erreichen. Ich hab es wiedergefunden, als ich meine Umzugskartons gepackt habe.«
Lisbeth schwieg eine Weile.
»Soll ich es aufmachen?«
»Tja, wenn du Lust hast.«
Lisbeth Salander stellte ihr Weinglas ab, schüttelte das Paket und machte es vorsichtig auf. Sie zog ein schönes Zigarettenetui aus schwarzer und blauer Emaille heraus, das mit ein paar kleinen chinesischen Schriftzeichen dekoriert war.
»Eigentlich solltest du ja aufhören zu rauchen«, meinte Miriam Wu. »Aber wenn du weiterrauchst, kannst du deine Zigaretten zumindest ästhetisch verpacken.«
»Danke«, sagte Lisbeth. »Du bist die Einzige, die mir jemals Geburtstagsgeschenke gemacht hat. Was bedeuten denn die Schriftzeichen?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen? Ich kann kein Chinesisch. Das ist bloß so ein Teil vom Flohmarkt.«
»Das ist ein schönes Etui.«
»Ist doch nur billiger Schund. Aber es sah aus wie für dich gemacht. Wir haben übrigens keinen Wein mehr. Wollen wir
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