Verdammnis
Wörter zu erinnern, aber es ist nicht so wie bei einem kleinen Kind, das erstmals sprechen lernt - er versteht die Bedeutung der Wörter, er kann nur nicht selbst formulieren. Geben Sie ihm noch ein paar Monate Zeit, dann werden Sie sehen, dass sich sein Sprechvermögen im Gegensatz zu heute deutlich verbessert hat. Dasselbe gilt für sein Orientierungsvermögen. Vor neun Monaten konnte er nur sehr schwer rechts und links auseinanderhalten oder sagen, ob der Fahrstuhl nach oben oder nach unten fährt.«
Lisbeth Salander nickte nachdenklich und überlegte zwei Minuten. Sie spürte, dass ihr dieser Dr. A. Sivarnandan mit dem indischen Aussehen und dem finnischen Akzent richtig sympathisch war.
»Wofür steht denn das A?«, fragte sie plötzlich.
Er sah sie amüsiert an.
»Anders.«
»Anders?«
»Ich bin in Sri Lanka geboren, wurde aber von einem Paar in Åbo adoptiert, als ich erst ein paar Monate alt war.«
»Was kann ich tun, um ihm zu helfen?«
»Besuchen Sie ihn. Verschaffen Sie ihm geistige Anregungen.«
»Ich kann jeden Tag kommen.«
»Ich möchte nicht, dass Sie jeden Tag hier sind. Schließlich soll er sich richtig auf Ihre Besuche freuen.«
»Könnte eine spezielle Therapie seine Chancen verbessern? Ich übernehme die Kosten.«
Er musste plötzlich lächeln, aber Lisbeth Salander war auf einmal sehr ernst.
»Diese spezielle Therapie bekommt er bereits. Ich würde mir freilich wünschen, dass man uns nicht dauernd das Budget kürzte, aber ich versichere Ihnen, dass wir sehr kompetent sind, was Pflege und Therapiemaßnahmen angeht.«
»Und was könnten Sie ihm bieten, wenn Ihr Budget höher wäre?«
»Für einen Patienten wie Holger Palmgren wäre natürlich ein persönlicher Ganztagstrainer ideal. Aber es ist schon lange her, dass wir uns in Schweden so etwas leisten konnten.«
»Stellen Sie einen ein.«
»Bitte?«
»Stellen Sie einen persönlichen Trainer für Holger Palmgren ein. Suchen Sie den besten, den Sie kriegen können. Und zwar gleich morgen. Und sorgen Sie dafür, dass jegliche technische Ausrüstung, die er braucht, bereitsteht. Ich werde mich darum kümmern, dass bis Ende dieser Woche das Geld da ist, damit Sie das Gehalt und die Geräte bezahlen können.«
»Machen Sie Witze?«
Lisbeth warf ihm einen entschlossenen, unnachgiebigen Blick zu.
Mia Bergman bremste mit ihrem Fiat an der Bordsteinkante neben der U-Bahn-Station Gamla Stan. Dag Svensson machte die Tür auf und glitt auf den Beifahrersitz. Dann beugte er sich zu ihr hinüber und gab ihr einen Kuss, während sie sich hinter einem Bus wieder in den Verkehr einordnete.
»Hallo«, sagte sie, ohne den Blick von der Straße zu wenden. »Du siehst so ernst aus, ist irgendwas?«
Dag Svensson schnallte sich seufzend an.
»Nein, nichts Ernstes. Nur ein bisschen Ärger mit meinem Artikel.«
»Und?«
»Noch einen Monat bis zur Deadline, und ich habe erst neun von den zweiundzwanzig Personen sprechen können, die wir uns vorgenommen hatten. Außerdem habe ich ein Problem mit Björck von der Sicherheitspolizei. Der Mistkerl ist seit Ewigkeiten krankgeschrieben und geht nicht ans Telefon.«
»Liegt er vielleicht im Krankenhaus?«
»Weiß ich nicht. Er ist unverheiratet … hat einen Bruder, der in Spanien lebt. Ich weiß einfach nicht, wie ich an ihn rankommen soll.«
Mia Bergman warf ihrem Freund einen Blick zu, während sie in Richtung Nynäsvägen fuhr.
»Schlimmstenfalls müssen wir den Abschnitt mit Björck eben rausnehmen. Blomkvist verlangt, dass alle, die wir anklagen, sich verteidigen können, bevor wir an die Öffentlichkeit gehen.«
»Und es wäre natürlich sehr schade um einen Vertreter der Geheimpolizei, der Prostituierte besucht. Was willst du unternehmen?«
»Ihn suchen natürlich. Wie geht’s dir denn eigentlich? Du bist doch bestimmt schon total nervös.«
Er stupste sie vorsichtig mit dem Finger in die Seite.
»Überhaupt nicht. Nächsten Monat ist meine Disputation, und bis jetzt bin ich völlig ruhig. Guck mal auf den Rücksitz.«
Dag Svensson drehte sich um und sah eine Kiste. »Mia - die ist ja schon gedruckt«, platzte er heraus.
Er hielt eine gedruckte Doktorarbeit hoch.
From Russia with Love.
Mädchenhandel, organisiertes Verbrechen und die Gegenmaßnahmen der Gesellschaft
Von Mia Bergman
»Ich dachte, die kommt nicht vor nächster Woche. Wahnsinn … wir müssen gleich eine Flasche aufmachen, wenn wir nach Hause kommen. Meinen herzlichsten Glückwunsch, Frau Doktor!«
Er beugte
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