Verdammnis
ersten Besuch hatte sie mehrere Papiere dabei, die belegten, dass eine Stiftung ins Leben gerufen worden war, mit dem erklärten Ziel, dem Krankenhaus bei Holger Palmgrens Rehabilitation zu helfen. Der Vorsitzende der Stiftung war ein Rechtsanwalt mit einer Adresse auf Gibraltar. Der Aufsichtsrat bestand aus einem einzigen Mitglied, ebenfalls ein Rechtsanwalt auf Gibraltar, sowie einem Revisor namens Hugo Svensson mit einer Stockholmer Adresse. Die Stiftung stellte 2,5 Millionen Kronen zur Verfügung, über die Dr. A. Sivarnandan nach eigenem Gutdünken verfügen konnte, aber der ausdrückliche Verwendungszweck für die Gelder war die denkbar beste Pflege für Holger Palmgren. Um das Geld abrufen zu können, musste Sivarnandan sich an den Revisor wenden, der sich dann um die Ausbezahlung der Summe kümmerte.
Das Ganze war gelinde gesagt ein ungewöhnliches, um nicht zu sagen einmaliges Arrangement.
Sivarnandan überlegte tagelang, ob er es moralisch vertreten konnte. Doch als er keine unmittelbaren Einwände fand, entschied er, die 39-jährige Johanna Karolina Oskarsson als Holger Palmgrens persönliche Assistentin und Trainerin einzustellen. Sie war ausgebildete Krankengymnastin, die außerdem mehrere Semester Psychologie und umfassende Erfahrung in der Reha-Pflege vorweisen konnte. Sie wurde formal von der Stiftung angestellt, und zu Sivarnandans großer Verblüffung wurde der erste Monatslohn im Voraus ausbezahlt, sobald der Arbeitsvertrag unterschrieben war. Bis dahin hatte er noch den vagen Verdacht gehegt, das Ganze könne ein irrwitziger Bluff sein.
Das intensive Training schien sich auszuzahlen. In den vergangenen Monaten hatten sich Holger Palmgrens Koordinationsfähigkeit und sein Allgemeinzustand wesentlich verbessert, was sich an den wöchentlichen Tests ablesen ließ. Sivarnandan fragte sich allerdings, was auf das Konto des Trainings ging und wie viel Lisbeth Salander zu verdanken war. Es konnte keinen Zweifel geben, dass Holger Palmgren sich bis zum Äußersten ins Zeug legte und sich auf Lisbeths Besuche mit der Begeisterung eines Kindes freute. Anscheinend gefiel es ihm, beim Schachspielen nicht den Hauch einer Chance zu haben.
Dr. Sivarnandan hatte den beiden dabei einmal Gesellschaft geleistet. Es war eine seltsame Partie gewesen. Holger Palmgren hatte Weiß, spielte die Sizilianische Eröffnung und machte eigentlich alles richtig. Vor jedem Zug überlegte er lange und gründlich. Was für Behinderungen der Schlaganfall bei ihm auch hinterlassen haben mochte, sein Scharfsinn hatte nicht gelitten.
Lisbeth Salander saß am Tisch und las ein Buch über das eigenartige Thema der Frequenzkalibrierung von Radioteleskopen in der Schwerelosigkeit. Sie hatte sich ein Kissen untergelegt, um höher zu sitzen. Sobald Palmgren seinen Zug getan hatte, blickte sie kurz auf und zog, anscheinend ohne nachzudenken, mit einer ihrer Figuren, woraufhin sie sich wieder ihrem Buch zuwandte. Palmgren kapitulierte nach dem siebenundzwanzigsten Zug. Salander blickte auf und musterte das Brett ein paar Sekunden mit gerunzelter Stirn.
»Nein«, widersprach sie. »Sie haben noch eine Chance auf ein Remis.«
Palmgren seufzte und musterte das Brett fünf Minuten. Schließlich sah er Lisbeth Salander an.
»Beweisen Sie es mir.«
Sie drehte das Brett um und spielte mit seinen Figuren weiter. Beim neununddreißigsten Zug hatte sie ihr Remis.
»Du lieber Gott«, sagte Sivarnandan.
»So ist sie eben. Spielen Sie nie um Geld mit ihr«, scherzte Palmgren.
Sivarnandan hatte seit Kindertagen selbst Schach gespielt und als Teenager bei der Schulmeisterschaft in Åbo den zweiten Platz belegt. Er betrachtete sich also als kompetenten Amateur. Ihm war klar, dass Lisbeth eine ungeheuer gute Schachspielerin war. Wie es aussah, hatte sie nie im Verein gespielt, und als der Arzt erwähnte, dass ihre Partie wohl die Variante einer klassischen Partie von Lasker gewesen sei, sah sie ihn nur verständnislos an. Anscheinend hatte sie noch nie im Leben von Emanuel Lasker gehört. Sivarnandan fragte sich, ob ihr Talent angeboren war und ob sie wohl noch über andere Talente verfügte, die einen Psychologen interessieren konnten.
Aber er fragte sie nicht. Er stellte nur fest, dass es Holger Palmgren besser ging als je zuvor.
Anwalt Nils Bjurman kam spätabends nach Hause. Er hatte vier Wochen am Stück in seiner Sommerhütte in der Nähe von Stallarholmen verbracht. Er war niedergeschlagen, denn an seiner miserablen Lebenssituation
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