Verdammnis
verändert, stellte sie fest. Er sah unverschämt gut aus, locker und entspannt, aber mit einem seriösen Gesichtsausdruck. Er hörte dem Mann zu, der mit ihm am Tisch saß, und nickte in regelmäßigen Abständen. Es schien ein ernstes Gespräch zu sein.
Lisbeth wandte ihre Aufmerksamkeit Mikaels Bekanntem zu. Ein Typ mit kurzen blonden Haaren, ein paar Jahre jünger als Mikael, der konzentriert sprach und irgendetwas zu erklären schien. Sie hatte ihn noch nie gesehen.
Plötzlich kam eine ganze Gruppe zu Mikaels Tisch, und sie schüttelten ihm der Reihe nach die Hand. Eine Frau gab Mikael einen Klaps auf die Wange und sagte etwas, worüber alle lachen mussten. Mikael wirkte verlegen, lachte aber mit.
Lisbeth Salander runzelte die Stirn.
»Du hörst mir ja gar nicht zu«, beschwerte sich Mimmi.
»Tu ich doch.«
»Mit dir kann man einfach nicht in die Kneipe gehen. Ich geb’s auf. Sollen wir lieber heimgehen und ficken?«
»Gleich«, wehrte Lisbeth ab.
Sie stellte sich ein klein wenig näher an Mimmi und legte ihr eine Hand auf die Hüfte. Mimmi blickte zu ihr hinunter.
»Ich würde dich gerne auf den Mund küssen.«
»Tu das nicht.«
»Hast du Angst, dass die Leute dich für eine Lesbe halten?«
»Ich will nur jetzt im Moment die Aufmerksamkeit nicht auf uns lenken.«
»Dann gehen wir nach Hause.«
»Nicht jetzt. Warte kurz.«
Sie brauchten nicht lange zu warten. Zwanzig Minuten nach ihrer Ankunft wurde der Mann, der mit Mikael zusammensaß, auf dem Handy angerufen. Sie tranken ihr Bier aus und standen gleichzeitig auf.
»Guck mal«, sagte Mimmi. »Das da drüben ist Mikael Blomkvist. Nach der Wennerström-Affäre ist er bekannter geworden als jeder Rockstar.«
»Echt?«, sagte Lisbeth lahm.
»Hast du das denn gar nicht mitgekriegt? Das war ungefähr zu der Zeit, als du ins Ausland gegangen bist.«
»Ich hab davon gehört.«
Lisbeth wartete noch fünf Minuten, dann blickte sie Mimmi plötzlich an.
»Du wolltest mich auf den Mund küssen.«
Mimmi sah sie verblüfft an.
»Ich hab doch nur Spaß gemacht.«
Lisbeth stellte sich auf die Zehenspitzen, zog Mimmis Gesicht zu sich herunter und gab ihr einen langen Zungenkuss. Als sie sich voneinander lösten, gab es Applaus.
»Du hast sie echt nicht mehr alle«, stellte Mimmi fest.
Lisbeth Salander war nicht vor sieben Uhr morgens zu Hause. Sie zog am Halsausschnitt ihres T-Shirts und schnupperte. Zuerst überlegte sie kurz, ob sie noch duschen sollte, aber dann pfiff sie drauf, ließ ihre Kleider auf den Boden fallen und legte sich ins Bett. Sie schlief bis vier Uhr nachmittags und ging dann zum Frühstück in die Söderhallen.
Sie dachte an Mikael Blomkvist und ihre Reaktion, als sie plötzlich mit ihm in einem Raum war. Seine Anwesenheit hatte sie aus dem Tritt gebracht, aber sie stellte auch fest, dass es ihr nicht mehr wehtat, ihn zu sehen. Er war nur noch ein kleines Pünktchen am Rande ihres Radarschirms, ein minimaler Störfaktor in ihrem Dasein.
Es gab bedeutend größere Störfaktoren in ihrem Leben.
Doch auf einmal wünschte sie sich, sie hätte den Mut gehabt, zu ihm zu gehen und Hallo zu sagen.
Oder ihm vielleicht auch einfach nur die Knochen zu brechen, sie konnte sich nicht recht entscheiden.
Wie auch immer, sie war plötzlich neugierig geworden, womit er gerade beschäftigt war. Nachdem sie am Nachmittag ein paar Erledigungen gemacht hatte, kam sie gegen sieben nach Hause, fuhr ihr PowerBook hoch und startete Asphyxia 1.3 . Das Icon MikBlom/laptop war immer noch auf dem Server in Holland. Sie doppelklickte darauf und öffnete eine identische Kopie von Mikael Blomkvists Festplatte. Sie besuchte seinen Computer zum ersten Mal, seit sie Schweden vor mehr als einem Jahr verlassen hatte. Zufrieden stellte sie fest, dass er das neueste Update von Mac OS noch nicht heruntergeladen hatte, denn damit wäre Asphyxia unschädlich gemacht worden. Sie musste das Programm demnächst unbedingt umschreiben, damit es durch Updates nicht weiter gestört werden konnte.
Die Datenmenge auf der Festplatte war seit ihrem letzten Besuch um fast 6,9 GB angewachsen. Ein Teil der neuen Dateien bestand aus PDF-Dateien und Quark-Dokumenten. Die Dokumente nahmen nicht viel Platz weg, umso mehr aber die Bilddateien, obwohl die Bilder bereits komprimiert waren. Seit Mikael wieder verantwortlicher Herausgeber war, hatte er anscheinend angefangen, eine Kopie von jedem Millennium -Heft zu archivieren.
Sie sortierte die Dateien auf der Festplatte
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