Verdammnis
dass Irina P. das Opfer außergewöhnlich brutaler Gewalt geworden war, denn angeblich wäre jede ihrer drei schwersten Verletzungen tödlich gewesen.
Lisbeth erkannte im Text eine Formulierung wieder, die wortwörtlich Mia Bergmans Dissertation entnommen war. In der Dissertation ging es um eine Frau namens Tamara. Lisbeth ging davon aus, dass es sich bei Irina P. und Tamara um ein und dieselbe Person handelte, und las sich die Interviewpassage der Doktorarbeit mit größter Aufmerksamkeit durch.
Das zweite Dokument trug den Namen »Sandström« und war bedeutend kürzer. Es enthielt die Zusammenfassung, die Dag Svensson an Blomkvist gemailt hatte. Aus ihr ging hervor, dass ein Journalist namens Per-Åke Sandström zu den Freiern gehörte, die ein Mädchen aus dem Baltikum missbraucht hatten. Er hatte kleinere Aufträge für die Sexmafia erledigt und war mit Drogen oder Sex dafür bezahlt worden. Es faszinierte Lisbeth besonders, dass Sandström nicht nur Firmenzeitungen erstellt, sondern auch Artikel geschrieben hatte, in denen er den Mädchenhandel empört verurteilte und unter anderem enthüllte, dass ein nicht namentlich genannter schwedischer Geschäftsmann ein Bordell in Tallinn besucht hatte.
Der Name Zala kam weder im Dokument »Sandström« noch in »Irina P.« vor, aber Lisbeth schloss, dass es eine Verbindung geben musste, sonst hätte man die beiden Dateien nicht im Ordner »Zala« abgespeichert. Das dritte und letzte Dokument hieß »Zala«, war aber sehr knapp und in Stichpunkten gehalten.
Laut Svensson war der Name Zala seit Mitte der 90er-Jahre in neun Fällen im Zusammenhang mit Rauschgift, Waffen oder Prostitution aufgetaucht. Niemand schien zu wissen, wer Zala war, doch verschiedene Quellen bezeichneten ihn als Jugoslawen, Polen oder Tschechen. Alle Angaben stammten aus zweiter Hand. Keine der Personen, mit denen Svensson gesprochen hatte, war Zala jemals begegnet.
Besonders ausführlich hatte Dag Svensson mit der Quelle G (Gulbrandsen?) über Zala gesprochen. Svensson hatte die Theorie aufgestellt, dass Zala für den Mord an Irina P. verantwortlich zeichnen könnte, doch es war nicht ersichtlich, was Quelle G über diese Theorie dachte. Seinen Angaben zufolge war Zala jedoch ein paar Jahre zuvor Gegenstand einer Diskussion gewesen, die auf einem Treffen »verschiedener Ermittlungsgruppen auf dem Gebiet des organisierten Verbrechens« stattgefunden hatte.
Soweit Dag Svensson herausfinden konnte, war der Name Zala zum ersten Mal im Zusammenhang mit einem Raubüberfall auf einen Geldtransport gefallen, der 1996 in Örkelljunga verübt worden war. Die Räuber hatten 3,3 Millionen Kronen erbeutet, sich aber so dämlich angestellt, dass die Polizei die Bande innerhalb von vierundzwanzig Stunden identifizieren und festnehmen konnte. Nach weiteren vierundzwanzig Stunden war noch eine Person festgenommen worden: Der Berufsverbrecher Sonny Nieminen, Mitglied des Svavelsjö MC, hatte die Waffen für den Überfall zur Verfügung gestellt und wurde dafür zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Im Laufe der Woche waren drei weitere Beteiligte geschnappt worden. Der verzwickte Fall betraf also acht Personen, von denen sich sieben hartnäckig weigerten, mit der Polizei zu reden. Der achte, ein gerade mal 19 Jahre alter Junge namens Birger Nordman, brach während des Verhörs zusammen und sagte, was er wusste. Der Staatsanwalt trug einen mühelosen Sieg davon, was damit endete (so vermutete jedenfalls Svenssons Quelle bei der Polizei), dass Birger Nordman zwei Jahre später in einer Sandgrube in Värmland gefunden wurde, nachdem er bei seinem Hafturlaub auf Abwege geraten war.
Laut Quelle G hegte die Polizei den Verdacht, dass Sonny Nieminen in der Bande die Fäden zog. Man argwöhnte sogar, Nordman könnte im Auftrag von Sonny Nieminen ermordet worden sein, aber es gab keine Beweise. Nieminen galt jedoch als besonders gefährlich und skrupellos. Im Knast war der Name Nieminen im Zusammenhang mit der Arischen Bruderschaft aufgetaucht, einer nazistischen Gefängnisorganisation, die wiederum mit der Bruderschaft Wolfspack und anderen gewaltbereiten nazistischen Organisationen in Verbindung stand.
Was Lisbeth Salander interessierte, war jedoch etwas ganz anderes. Der verstorbene Birger Nordman hatte in seinem Verhör ausgesagt, dass die Waffen für den Raubüberfall von Sonny Nieminen gestellt worden waren, welcher die Waffen seinerseits von einem unbekannten Jugoslawen namens Zala bezogen
Weitere Kostenlose Bücher