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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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gähnende Ferienlangeweile zu vertreiben.
    Ich wagte mich nicht aus meinem Zimmer, weil Mama seit heute Morgen um sechs durch die Wohnung wirbelte, putzte, Wäsche in die Maschine schmiss und aufhängte, schauderhafte Plätzchen backte, den Weihnachtsbaum schmückte und alles in allem eine nervenaufreibende Hektik verbreitete. Papa hatte sich unauffällig nach unten in den Keller verzogen, obwohl gar keine neuen Omis und Opis gekommen waren. Doch Mama holte ihn schon nach einer knappen halben Stunde zurück nach oben, weil er ihr »zur Hand gehen sollte«. Das war keine gute Idee, da grundsätzlich immer etwas zu Bruch ging, wenn Mama und Papa gemeinsam im Haus werkelten. Diesmal war es der Kristallengel für die Weihnachtsbaumspitze. »Ein Erbstück!«, wie Mama immer wieder klagte, als sie die Scherben zusammenkehrte.
    Leander ließ sich von Mamas Dekorier- und Putzwut nicht im Geringsten stören und machte alle zehn Minuten ausgedehnte Rundgänge durch die Wohnung. Vielleicht hatte er ja Blähungen vom Mittagessen.
    »Ich verliere noch meinen Verstand!«, dröhnte Mamas Turnhallenstimme aus dem Flur. »Heribert! Komm mal her! Warst du das?«
    »Was immer auch sein mag, meine Liebe: Ich bin unschuldig!«, beschwichtigte Papa sie sanft und geduldig. Er hörte sich an, als würde er mit einem trotzigen Kind sprechen.
    »Aber das gibt es doch nicht! Ich verstehe das nicht! Schon wieder sind die Kerzen aus – am Adventskranz, auf der Fensterbank, im Badezimmer …«
    »Warum wir Kerzen im Badezimmer haben, ist mir ohnehin schleierhaft, Rosa.«
    »Aber darum geht es doch nicht!«, bellte Mama. »Es geht darum, dass keine Kerze länger als drei Minuten brennt, und ich habe bald keine Streichhölzer mehr.«
    Leander nickte zufrieden und lehnte sich entspannt, aber wachsam an die Wand.
    »Du bist das also …«, murmelte ich.
     
    »Jepp«, antwortete Leander und grinste selbstgefällig.
    Mama und Papa hielten sich gerade gefährlich nahe an meiner Tür auf und tauschten sich lautstark über den großen, hässlichen Holzengel mit der Stumpenkerze im Arm aus, den Mama neben dem Flurspiegel postiert hatte.
    »Ob es hier wohl Luftzüge gibt, die die Kerzen ausblasen?«, mutmaßte Mama. Sie war den Tränen nahe.
    »Ich habe jedes Fenster und jede Tür abgedichtet. Hier gibt es keine Luftzüge«, erwiderte Papa gekränkt. Wenn Papa ein Hobby hatte, dann bestand es darin, Energie zu sparen. Ich glaubte ihm aufs Wort, dass es bei uns in der Wohnung keine Luftzüge gab, was aber nicht ins Gewicht fiel, da er die Heizung nachts auch im tiefsten Winter abstellte und es keinen großen Unterschied mehr machte, ob es zog oder nicht. Ich fror mir so oder so die Füße ab.
    »Ganz abgesehen von diversen Luftzügen, die nicht existieren, bin ich sowieso seit Jahren der Auffassung, dass elektrische Lichterketten gegenüber herkömmlichen Kerzen nicht zu verachtende Vorzüge bieten – ganz besonders bezüglich des Aspekts der Sicherheit.« Ob Papa wohl schon als Kind so geschwollen dahergeredet hatte?
    »Aha, sieh an, der Herr Öko will auf einmal elektrische Lichterketten! Das ist doch absolut unromantisch!«, giftete Mama.
    »Ich hingegen finde es unromantisch, bei lebendigem Leibe zu verbrennen.« Jetzt hörte sich auch Papa giftig an und mir reichte es – die Streiterei da draußen vor meiner Tür und Leanders arrogantes Grinsen. Am Ende brachte er es noch fertig und verdarb uns das gesamte Weihnachtsfest. Ich schlüpfte in meine Schuhe, zog mir einen dicken Wollpullover über und ging zur Tür.
    »Nein, nicht wieder nach draußen, Luzie, bitte … da draußen ist alles noch viel schlimmer …«
    »Dann bleib hier, du elender Hosenschisser«, flüsterte ich und riss die Tür auf. Mama und Papa drehten sich fragend zu mir um.
    »Gebt mir Geld, ich kaufe eine Lichterkette. Und wenn ich nach Hause komme, habt ihr euch wieder vertragen.«
    Ich hielt meine Hand auf. Papa war so verdutzt, dass er automatisch nach seiner Geldbörse griff und mir ein paar Scheine in die Hand drückte.
    »Wie viel kostet so eine Lichterkette denn?«, fragte er.
    »Keine Ahnung. Aber dreißig Euro bestimmt für einen großen Baum. Und wir haben ja einen großen Baum.«
    Der Baum war sogar so groß, dass Papa die Spitze absägen musste, damit er ins Wohnzimmer passte. Und wir hatten sowieso hohe Decken. Altbauwohnung eben. Das Unheimlichste an diesem Baum war aber, dass Mama ihn alleine aus dem Auto gezerrt und die Treppe hochgetragen hatte.
    Papa gab mir

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