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Verdammt feurig

Verdammt feurig

Titel: Verdammt feurig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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vierzig Euro. Ich kaufte für fünfzehn Euro Lichterketten und investierte zehn Euro in eine rosarote Pralinenschachtel für Mama und eine steingraue Krawatte für Papa. Schließlich entschied ich mich, den Rest ebenfalls sinnvoll zu investieren, und fischte im Supermarkt die letzten Tiefkühlweihnachtsessen aus dem Gefrierfach. Mama hatte zwar vor, ein Drei-Gänge-Menü zu servieren, aber ihr jüngster Versuch hatte darin geendet, dass wir samt Oma Anni zu McDonald’s fuhren. Und Oma Anni hasste McDonald’s. Sie würde auch die Lichterketten hassen, doch bei Leanders Ehrgeiz war damit zu rechnen, dass er den ganzen Abend nichts anderes tun würde, als Kerzen auszupusten. Und besser ein paar künstliche Lichter als gar keine. Einen Weihnachtsbaum ohne Lichter wollte ich mir gar nicht erst vorstellen.
    Auf dem Rückweg wartete Leander an der S-Bahn-Haltestelle auf mich, obwohl die Abteile heute so voll waren, dass er niemals einen unauffälligen Platz finden würde.
    »Wir laufen«, entschied ich leise.
    Leander war blass. Seine Wangenknochen schimmerten bläulich und es gelang ihm nicht, sein unbeteiligtes Körperwächtergesicht aufzusetzen. Und um uns herum wimmelte es von Kindern und Jugendlichen. Es war zu gefährlich für ihn. Ich schlug einen Haken und nahm etliche Umwege durch einsame Nebenstraßen und Gassen, was den Vorteil hatte, dass wir keinen weiteren Nikoläusen begegneten, ich Mama und Papa mehr Zeit zum Versöhnen geben und mich bewegen konnte. Das Stillsitzen zu Hause hatte ich schon immer schwer ertragen, ganz besonders an Weihnachten. Außerdem war der Heimweg eine gute Gelegenheit, noch einmal das Thema mit den Flugversuchen anzusprechen.
    »Ich hab was gut bei dir«, sagte ich entschlossen.
    »Ach ja?«
    »Ja. Du hast mich eben einfach allein in die Stadt gehen lassen. Und das am Fest des Todes!«
    »Du wolltest allein gehen!«
    »Quatsch. Ich hab gesagt, du kannst dableiben. Hosenschisser.«
    »Pfff«, schnaubte Leander. »Wenn überhaupt, dann hab ich bei meiner Truppe was gutzumachen und nicht bei dir. Denen passt das nicht, wenn ich meine Klientin allein lasse …«
    »Deine Truppe ist nicht hier. Hast du vergessen, dass du verdammt bist und sie sowieso einen feuchten Dreck interessierst?«
    Leander blieb abrupt stehen, versperrte mir den Weg und sah mich lange an.
    »Hast du vergessen, was ich dir kürzlich gesagt habe? Das war ernst gemeint. Es wird nicht so bleiben wie jetzt. Mein Vater switcht nicht einfach mal so von Amerika hierher. Das hatte eine Bedeutung.«
    »Und welche?«, fragte ich verärgert. Es machte mich nervös, wenn Leander unkte. Er unkte zu viel und zu düster.
    »Weiß ich nicht.« Leander wandte sich von mir ab und guckte dumpf die Wand an. Ich hatte den Verdacht, dass er log. Er wusste mehr als ich. »Es wird jedenfalls nicht so bleiben. Darin bin ich mir sicher.«
    Was meinte er nur damit? Dass sie ihn wegholen würden? Aber warum sollten sie das tun? Ich wollte nicht darüber nachdenken.
    »Wenn sich sowieso alles ändert, dann kannst du es auch noch einmal versuchen. Als Wiedergutmachung für mich.«
    »Was versuchen?« Leander drehte sich wieder zu mir um.
    »Das mit dem Fliegen! Bitte! Pass auf, wir laufen die Gasse entlang und springen gleichzeitig ab. Und dann sehen wir, ob es klappt oder nicht. Es kann ja nichts passieren. Entweder es ist ein ganz normaler Sprung – oder wir fliegen.«
    Leander überlegte. Ein eisiger Windstoß fuhr durch meinen Anorak und ich fröstelte. Leander musterte mich besorgt.
    »Ja, genau«, sagte ich. »Wenn ich hier noch länger rumstehe und mich nicht bewege, werde ich krank. Vielleicht krieg ich sogar eine Lungenentzündung. Liegt in der Familie. Zwei meiner Tanten sind daran gestor–«
    »Okay, ist ja gut, du Nervensäge!«, unterbrach Leander meine Schwindeleien. »Hand!«
    Ich streckte meine Hand aus und er griff danach. Ich erschauerte, weil meine Finger so kalt und seine so warm waren.
    »Wir springen wieder auf drei, okay?«, wies Leander mich an. »Denk nur ans Springen und an dein Ziel und an sonst nichts. Ich glaube, wir müssen an das Gleiche denken, damit es funktioniert. Bereit? Dann los!«
    Wir stoben die Gasse entlang, und im selben Augenblick, in dem Leander »Drei!« rief und wir vom Boden abhoben, begannen weiße, winzige Flöckchen vom Himmel zu wirbeln. Wir stiegen einen Meter, zwei, ja, ich konnte in die Fenster neben mir blicken und sah einen alten Mann, der in seiner schäbigen Küche am Herd stand und

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