Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
Adrian! Ich muß dir was Wichtiges erzählen! Stell dir vor, die Polizei hat alle meine Briefe an dich unterschlagen, und deine auch! Seit Monaten!«
» Was? Das gibt es doch nicht! Woher weißt du das?«
» Von Emmys Freund. Der arbeitet im Home Office.«
Sie spürt, wie ihr die Tränen kommen und ringt um Fassung. » Unser Wiedersehen hab ich mir ganz anders vorgestellt.«
Er drückt ihr die Hand. » Ich auch, glaub mir. Aber das mit Mason mußte ich dir zuallererst sagen, damit nichts schiefgeht.« Er holt tief Luft: » Ich kann dir gar nicht sagen, wie aufgeregt ich war, Vivian. Nicht wegen den Geheimen, wegen dir! Ich dachte die ganze Zeit, du willst nichts mehr von mir wissen.«
» Dasselbe hab ich auch von dir gedacht.«
» Diese Schufte!«, sagt er grimmig. » Das würd ich denen gerne heimzahlen.« Er schaut nach draußen. » Da drüben steht Mason, siehst du ihn? Er unterhält sich mit dem Zeitungshändler.«
Sie folgt seinem Blick. » Das ist Mason? Aber der hatte doch einen schwarzen Bart, als er sich mit mir getroffen hat.«
» Der war nur aufgeklebt«, erklärt er und grinst, » er hat eine ganze Menge falscher Bärte, Schnurrbärte, Backenbärte, Spitzbärte.«
» Dann ist er also auch einer vom Geheimdienst?« Sie runzelt die Stirn.
» Nun, ja. Gewissermaßen. Ich treffe ihn ab und zu, wenn ich in England bin. Jedenfalls hat er seine Mütze auf. Ein gutes Zeichen. Das bedeutet nämlich, daß uns niemand gefolgt ist. Kein überstürzter Aufbruch durch die Waschräume.«
Ohne daß sie es will, entfährt es ihr: » O Adrian, wie sind wir nur da hineingeraten?«
Er wird sofort ernst. » Das ist alles meine Schuld, Vivian, und es tut mir schrecklich leid! Wenn ich geahnt hätte, wohin diese ganze Geschichte führt, hätte ich dich niemals mit hineingezogen.«
Er sieht so zerknirscht aus, daß er ihr leid tut. Sie schüttelt den Kopf. » Nein, sag nicht so etwas, Adrian. Ohne dieses ganze Geheimdienstzeug hätten wir uns doch gar nie kennengelernt.«
Sie sieht, wie er immer noch grübelt. Da muß sie auf einmal lachen. » Na, wenigstens ist es nie langweilig!«
Berlin, Alexanderplatz, 17. Mai 1913, Samstag
Der Schutzmann am Haupteingang knallt grüßend die Hacken zusammen. Wohl wegen meiner Uniform, vermutet Drummond, als er mit Melville das Präsidium am Alexanderplatz verläßt. Sie haben sich soeben beim Polizeipräsidenten, Herrn Traugott von Jagow, als Beauftragte für die Sicherheit von King George V. und seiner Begleitung akkreditieren lassen und entsprechende Bescheinigungen erhalten. Der englische König wird übermorgen in Berlin eintreffen, und Melville ist mit seinem Schutz beauftragt.
Drummond allerdings hat andere Aufgaben. Offiziell ist er Admiral Sir John Jellicoe, der zur Begleitung des Königs gehört, als zweiter Adjutant zugeteilt. Diese Tarnung hat es notwendig gemacht, ihn mit Rang und Uniform eines Senior Lieutenant der Royal Navy auszustatten, mit Einwilligung der Admiralität und natürlich nur für die Dauer seines Aufenthaltes in Deutschland.
Sein eigentlicher Auftrag vom SSB lautet ein wenig anders. Noch ist es nicht öffentlich bekannt, aber die britische Regierung war vom deutschen Botschafter vertraulich informiert worden, daß Kaiser Wilhelm anläßlich des Besuches von King George V. zur Hochzeit seiner Tochter eine Amnestie erlassen will. Darunter sollen auch die inhaftierten britischen Spione Brandon, Trench und Stewart fallen. Drummond soll die Offiziere in Berlin begrüßen, sich von ihnen berichten lassen und sie nach Abschluß der Feierlichkeiten nach London begleiten. Nebenher soll er versuchen, Angehörige des deutschen Geheimdienstes zu identifizieren und so viel wie möglich über die militärische Nutzung von Luftschiffen herausfinden. Diese machen der Admiralität zur Zeit am meisten Kopfzerbrechen. Melville nennt es verächtlich Zeppelin-Fieber.
Berlin, Luftschiff LZ 11 Viktoria Luise, 20. Mai 1913, Dienstag
Das Knattern der Motoren wird schneller und steigert sich zu einem rasenden Dröhnen. Die Passagierkabine erzittert, zugleich ist ein Schwanken zu spüren, nicht unähnlich dem auf einem Schiff. Durch das große Seitenfenster sieht Seiler die Menschenmenge auf der kahlgetretenen Wiese zurückweichen, wie aus Furcht vor dem gigantischen Gebilde, das im Begriff ist, sich in die Luft zu erheben. Näher und fast unter ihm blauuniformierte Soldaten an den Haltetauen, weit zurückgelehnt und mit aller Kraft zupackend. Zweihundert Mann sind
Weitere Kostenlose Bücher