Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
ausnahmsweise glattrasiert, aber er und Seiler tun, als würden sie einander nicht kennen. Ab und zu wirft Seiler einen Blick auf seine drei Ärmelstreifen. Kapitänleutnant! Mit der Beförderung hat er nicht gerechnet, durch den Dienst bei N ist er ganz aus dem Tritt gekommen. Sein Jahr beim Reichsmarineamt in Berlin läuft erst zum Herbststellenwechsel am 30. September 1913 ab.
Was dann kommt? Der Kommandantenkursus und danach sein eigenes U-Boot? Oder Kommandierung zu einem der Auslandsgeschwader? Alles ist möglich. Stationsdienst, Versetzung zur Marineinfanterie oder gar auf ein Linienschiff. Vielleicht soll er auch beim Nachrichtendienst bleiben. Eine Lotterie.
Seiler hat von Gordon bisher so gar nichts herausbekommen. Alle Fragen hat der ins Leere laufen lassen. Er versucht es noch einmal und fragt: » Ist das eigentlich Ihr erster Besuch in Deutschland, Lieutenant?«
» Ja«, erwidert der, » und ich finde es höchst interessant und angenehm hier. Schade, daß ich nur so kurz hier bin, ich hätte gern mehr von Deutschland gesehen, Dresden zum Beispiel. Soll eine fabelhaft schöne Stadt sein!«
» In Dresden war ich selbst noch nie«, sagt Seiler, » der Dienst in der Marine hält einen ja meist fern vom Landesinneren.«
» Wem sagen Sie das. Aber Sie waren wohl lange in England, nicht wahr? Ich höre es an Ihrem ausgezeichneten Englisch.«
So ein gerissener Hund, denkt Seiler, und antwortet: » Ja, ich habe meine Kindheit in Hampshire verbracht. Meine Mutter ist Engländerin.« Er versucht es andersherum: » Sagen Sie, warum hat man Sie als Admiralstabsoffizier mit der Abholung der amnestierten Agenten beauftragt?«
Gordon wirft ihm einen amüsierten Blick zu. » Es sind immerhin Marineoffiziere, bis auf diesen Stewart. Den kenne ich nicht. In der Admiralität wird man sich gedacht haben, Gordon ist ohnehin in Berlin, da sparen wir uns das Geld für eine Extrareise.« Er lacht. » Geizkrägen allesamt. Das wird bei Ihnen kaum anders sein, nicht wahr?«
» Allerdings«, grinst Seiler, obwohl er sich über diese glatte Antwort ärgert. Aber Gordon legt noch etwas drauf. » Im Vertrauen, Lieutenant Seiler, mein Admiral interessiert sich für diese Burschen. Er findet sie bewundernswert und möchte mehr über ihren Ausflug erfahren. Ich soll sie für ihn mal ein wenig beschnuppern. Aber da kommt der Zug, nicht wahr? Na, ich bin ja mal gespannt.«
Pünktlich auf die Minute dampft die Maschine mit ihrer langen Wagenschlange heran. Und da kommen sie schon, Trench, Brandon und Stewart, jeder in Zivil und mit einem großen Koffer, eskortiert von einem Unteroffizier mit zwei Soldaten. Die Eskorte soll sicherstellen, daß sie auch wirklich in Berlin ankommen und unterwegs nicht irgendwelche Abstecher machen.
Gegenseitige Vorstellung zuerst. Seiler ist von Tapken über Lieutenant Stewart informiert worden, über den er vorher noch nichts gehört hat. Bertrand Stewart ist Lieutenant der Imperial Yeomanry und wurde im Zusammenhang mit der Marokkokrise nach Deutschland gesandt, um herauszufinden, ob die kaiserliche Marine mobilisiert wird. Stewart hat praktisch das gleiche wie Seiler vor zwei Jahren getan, nur hatte er das Pech, erwischt zu werden. Er war 1911 in Bremen verhaftet und zu dreieinhalb Jahren Festungshaft in Glatz verurteilt worden. Auf Seiler macht er einen arroganten Eindruck. Anders als Trench und Brandon schlägt er Seilers dargebotene Hand aus und grüßt sogar seinen Landsmann Gordon nur mit einem knappen Kopfnicken.
Nun müssen die Formalitäten erledigt werden. Steinhauser unterschreibt das Übergabeformular der Militäreskorte, die schnurstracks zur Bahnhofsrestauration abmarschiert. Dann händigt er den Briten befristete Pässe aus und erklärt: » Meine Herren, Sie sind hiermit offiziell frei und können Ihrer Wege gehen. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise.« Er lüftet den Hut zum Gruß und geht. Den Schutzmann nimmt er mit.
» Well, noch ist es nicht soweit«, sagt Gordon, » auf Sie wartet ein kleiner Empfang im Hotel Britannia, der Ihnen Gelegenheit geben wird, Seiner kaiserlichen Majestät Ihren Dank für die Begnadigung zu übermitteln. Und ein anschließendes Abendessen, zu dem auch der Zweite Sekretär der britischen Botschaft kurz erscheinen wird. Morgen können Sie sich auf die Heimreise nach good old England begeben, das heißt, falls Sie Ihren Aufenthalt nicht noch verlängern wollen. Die Pässe erlauben Ihnen eine ganze Woche.«
Seiler ergänzt: » Für Ihr Gepäck steht
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