Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
und die beiden anderen verziehen sich in eine ruhigere Ecke des Parks. Sie finden eine freie Bank vor dem Denkmal für Kaiser Wilhelm I. und setzen sich nebeneinander. Vivian und Emmeline schwelgen in der Erinnerung an den gestrigen Ball. Adrian scheint in Gedanken versunken. Vielleicht, so hofft Vivian, denkt er an die Stunden nach dem Ball, als sie mit ihm in seiner kleinen Wohnung gewesen ist– ohne Emmeline. Adrian glaubt wohl, er habe das Valentiners Charme zu verdanken. In Wirklichkeit hat sie sich mit Emmeline abgesprochen. Vater hat nichts davon mitbekommen. Er ist gutgelaunt, wohl auch wegen der freundlichen Stimmung zwischen Engländern und Deutschen.
Ganz in der Nähe spielen zwei ältere Herren Schach mit metergroßen Figuren, und ein gutes Dutzend Zuschauer hat sich eingefunden. Einer dieser Zuschauer fällt Vivian auf. Es ist ein älterer Herr mit kurzem grauem Vollbart, der ab und zu mit einer kleinen Kamera das Schachspiel photographiert. Mit dem Kneifer auf der Nase könnte er ein Professor sein, aber sein brauner Anzug sitzt schlecht, so als würde er ihm nicht gehören. Wieder macht er eine Aufnahme, und zwar genau in ihre Richtung. Dann geht er um die Spielergruppe herum. Diese Art zu gehen kennt sie doch? Ihr wird erst heiß und dann kalt. Das ist dieser Morgan! Und er photographiert sie! Sie ist sich ganz sicher, trotz seiner Verkleidung.
» Vater, Adrian«, unterbricht sie Emmelines Redefluß, » der Mann dort mit dem Photoapparat, ich glaube, das ist der Scotland-Yard-Mann, der bei uns den Laden durchsucht hat. Er heißt William Morgan.«
» Was? Das kann doch gar nicht sein! Bist du dir sicher?« sagt ihr Vater.
» Ja. Ich kenne seinen Gang, bin ihm doch zweimal nachgegangen. Außerdem hat er uns photographiert. Er tut nur so, als ginge es ihm um das Schachspiel.«
» Ach, zum Teufel noch mal! Geht das schon wieder los? Und was sollen wir tun, deiner Meinung nach?«
Adrian fühlt sich angesprochen. » Wir fragen ihn, ob er uns photographiert hat. Dann werden wir schon sehen, ob er Engländer ist oder nur ein harmloser Schachfreund.«
Vater zögert und wirft ihr einen zweifelnden Blick zu. Das macht sie ein wenig unsicher. Was, wenn er es nicht ist? Aber Adrians Vorschlag ist gut, die Frage ist an sich harmlos genug. Jetzt geht der Mann weg. Ob er gemerkt hat, daß sie sich über ihn unterhalten? Morgan, wenn er es ist, steuert auf einen Baum zu, an dem ein Spazierstock lehnt. Da ist sie sich sicher. » Er ist es ganz bestimmt. Schau nur, er holt seinen Stock!«
Adrian und Peterman marschieren los, quer durch die Zuschauer, sie und Emmeline folgen ihnen zögernd.
Zu gern wüßte sie, was die beiden zu ihm sagen, aber sie wagt sich nicht näher heran und bleibt lieber mit Emmy in einiger Entfernung stehen. Jetzt sprechen sie ihn an. Der Fremde macht eine abwehrende Geste und wendet sich ab, aber Vater tritt ihm in den Weg. Sie reden– nein, sie schreien sich an! Adrian faßt den Mann am Arm, und der reißt sich los und fuchtelt mit dem Stock herum. Vater nimmt ihm den Stock weg, da greift der Mann in seine Jacke und zieht etwas heraus. Was hat er da? Ganz deutlich hört sie Adrians laute Stimme: » Sind Sie verrückt? Stecken Sie das weg!« Dann knallt ein Schuß.
Ein Mann stürmt an ihr vorbei und rennt auf Adrian zu, rempelt sich mitten durch die erschrockenen Zuschauer. Sie möchte auch hin, aber sie ist wie gelähmt.
Jetzt haben sie den Mann an den Armen, Adrian und ihr Vater und der Dritte, der hingelaufen ist. Ihnen scheint nichts passiert zu sein. Sie seufzt erleichtert.
Da packt Emmy sie am Arm. » Das ist ja Randolph! Wie kommt der hierher?«
Eine Pfeife schrillt, zwei Schutzleute kommen gelaufen. » Polizei! Was ist hier los? Wer hat geschossen?«
» Komm«, sagt Emmeline, » ich will wissen, was da passiert!«
» Dieser Herr hat uns photographiert«, hört Vivian ihren Vater sagen, » und als wir ihn darauf ansprachen, hat er einen Revolver gezogen und in die Luft geschossen!«
» Ich bin bedroht worden!«, ruft Morgan auf Deutsch mit starkem Akzent. » Ich bin britischer Staatsbürger und Polizeioffizier!« Sein Kopf ist hochrot.
» Her mit dem Revolver!« schnauzt ihn der ältere der beiden Polizisten an. » Und meinetwegen sind Sie der Kaiser von China. Hier wird nicht herumgeschossen!«
Den Revolver hat Peterman. Mit spitzen Fingern reicht er ihn dem Wachtmeister. Der riecht daran, dann klappt er die Trommel auf. » Ein Schuß ist abgefeuert worden.« Grimmig
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