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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
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hat Angst bekommen, Tränen würden ihm in die Augen treten, wenn er sich nicht schnell genug abwandte. So ist er von ihr weggegangen, aufrecht, hat sich zu einem gelassenen Gang gezwungen, bis er die Charing Cross erreichte, und hat nicht mehr gewußt, ob er nach links oder nach rechts gehen sollte. Er bog nach rechts ab, weil er so schneller aus ihrem Blickfeld geriet, denn er hatte das Gefühl, daß sie ihm nachsah. Es war die falsche Richtung, aber das war egal, ein Schleier hatte sich vor seine Augen gelegt. Er sah alles unscharf und mußte blinzeln. Es hat ja keinen Sinn, hat er sich vorgesagt, bald muß ich zurück nach Kiel und sie in dieses College, und wenn ich sie noch einmal sehe, wird alles nur noch schlimmer.
    Mit einem Schlag war ihm bewußt geworden, was er für ein Leben führte, in einer Männerwelt, in der Frauen keinen Platz und keine Zukunft hatten. Nie hatte er das so heftig empfunden, noch nie hatte er eine Frau so intensiv wahrgenommen wie Vivian in diesem vergangenen Augenblick.
    Freilich hatte er mit Mädchen herumgeschäkert, beim Ausgang mit den Kameraden, auf dem Offiziersball oder einem Theaterabend, und es hatte zuweilen ein leises Bedauern gegeben, wenn er sich von einer hübschen jungen Frau verabschiedet hatte, die er vermutlich nicht wiedersehen würde. Ein, höchstens zwei Tage später war sie vergessen. Aber diese Vivian hatte ihn mitten ins Herz getroffen, und er ahnt, diese Wunde wird so schnell nicht heilen. Zu dumm, dass es ihn ausgerechnet in London so erwischt hat.
    Mit jähem Schreck erwacht er bei der Ankunft in Portsmouth Town. Nach der riesigen Halle der Waterloo Station macht der Bahnhof einen kleinstädtischen Eindruck. Da er bis Portsmouth Harbour gelöst hat, bleibt er sitzen, während sich der Waggon mit Arbeitern und Händlerfrauen füllt. Zehn Minuten später, pünktlich um 9 Uhr 27 Minuten, ist der Hafenbahnhof erreicht.
    Von hier ist es nicht weit zum kleinen Dolphin Hotel in der High Street, gleich gegenüber der St. Thomas Cathedral. Auf Widenmanns Empfehlung trägt er sich unter englischem Namen ein, als Mr. Tony Benneth aus London. Er läßt sein Gepäck aufs Zimmer schaffen, wäscht Gesicht und Hände, zieht sich um und macht sich auf zum Hafen. Portsmouth kennt er noch aus seiner Kinderzeit, als er den Vater gelegentlich hierherbegleiten durfte. Hier am Ärmelkanal ist der Himmel bedeckt und grau, aber die Luft ist dennoch warm und schwül. Er zieht sein Jackett aus und legt es über den Arm. Vom Hotel aus geht er vor zur Broad Street, folgt den Schienen der Tramway durch Spice Island und gelangt zum Point, wo die Straße direkt am Wasser endet.
    Vor ihm breitet sich der Hafen aus, drüben auf der Gosport-Seite die grauen Mauern von Fort Blockhouse und dahinter der hohe Turm der Trinity Church. Mitten durch das Fahrwasser kriecht die Floating Bridge auf ihn zu, die an Ketten entlanggeführte Fähre zwischen Gosport und dem Point. Ein höchst merkwürdiges Fahrzeug, zwei hohe, dünne Schlote auf dem großen Deckshaus zwischen den beiden Fahrbahnen, die sogar bespannte Pferdeomnibusse aufnehmen können. Vor dem Hard, gleich bei der Harbour Station, liegt die Victory verankert, Nelsons Flaggschiff bei Trafalgar. Im Großtopp des mächtigen Dreideckers weht die weiße Admiralsflagge mit dem roten St.-Georgs-Kreuz, denn das 1760 in Dienst gestellte Linienschiff ist seit seiner Restaurierung das Flaggschiff des Oberbefehlshabers der Royal Navy.
    Der Dienstag ist bereits am frühen Morgen ein sehr warmer Tag. Die Sonne, noch tief über den Dächern von Southsea, brennt schon heiß auf seine Stirn. Am Tickethäuschen der Harbour Station, dem Terminal der Fähren nach Ryde auf der Isle of Wight, löst Seiler ein Billett für die Überfahrt. Über die Stelling steigt er auf die Duchess of Fife hinüber, einen weißen Raddampfer, der schon bis auf den letzten Platz besetzt ist. Langsam schaufelt sich die Duchess auf die enge Durchfahrt an der Point Battery zu und passiert sie mit einem dumpfen Gruß aus der Dampfpfeife. Nach der Enge weicht das Land zu beiden Seiten zurück und gibt den Blick frei auf die weite glitzernde Wasserfläche des Spithead. Die Isle of Wight, vielleicht vier Meilen entfernt, ist eine flache, graugrüne Silhouette im leichten Dunst. Der Dampfer hält sich etwas näher an der Westküste und dampft an den Mauern und Bastionen von Fort Monkton vorbei. An Backbord erhebt sich das runde Fort Spitsand, eine künstliche Insel aus Beton und

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