Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
natürlich wieder.« Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und nickt zum Telephon hin: » Regan hat vor einer halben Stunde angerufen. Er steht seit sieben Uhr vor der deutschen Botschaft, Seiler ist dort auch nicht aufgetaucht. Sieht so aus, als wäre unser Freund abgereist, zurück auf den Kontinent. Ein Ausflug wird es kaum sein, wenn er sein Zimmer aufgibt.«
Er schabt sich das glattrasierte Kinn und überlegt. Schließlich beugt er sich vor, legt die Unterarme auf den Tisch und die Hände mit den Fingerspitzen zusammen. » Wir machen vorläufig so weiter: Sie behalten morgen noch einmal die Botschaft im Auge, falls Seiler doch noch dort auftauchen sollte. Regan kommt mittags dazu, dann können Sie sich abwechseln. Ich werde versuchen herauszufinden, was es mit der Adresse in Southampton auf sich hat.«
Der Captain greift nach einem Blatt Papier, wirft einen kurzen Blick darauf und fährt fort: » Was den Buchhändler Peterman betrifft, so haben wir inzwischen folgendes erfahren: Der Mann ist naturalisierter Brite, aber gebürtiger Deutscher, verwitwet, Tochter Vivian aus zweiter Ehe, 1894 in London geboren. Der Vater hat sie nach dem Tod der Mutter Joceline, geborene Cecil-Porter, im Januar 1908 als Boarding Pupil auf das Ladies’ College in Cheltenham geschickt. Dort könnte sie noch bis Anfang Dezember 1912 bleiben, dann wird sie achtzehn, ich glaube, das ist die Altersgrenze. Teures College. Muß den Alten ein schönes Sümmchen kosten, aber seine Frau stammte aus einer alten und betuchten Familie und hat ihm das Haus im Cecil Court hinterlassen und vermutlich auch genug Geld.«
Er schaut noch mal auf das Blatt und ergänzt: » Außerdem beschäftigt er eine Haushälterin, eine Miss Rutherford, die jeden Tag kommt, außer Samstag und Sonntag. Putzt und kocht für ihn, vermute ich mal.«
Drummond schlägt vor: » Vielleicht sollte ich mir diesen Bookshop einmal ansehen, Sir? Wenn ich mich nicht irre, gibt es keine maritime Fachbuchhandlung, die näher bei der Admiralität liegt. Eigentlich kenne ich nur Potter, die Seekartenhandlung in den Minories, aber die ist ja ziemlich weit weg.«
» Na ja, da wären Williams und Norgate«, sagt Kell, » der große Buchladen an der Henrietta Street in Covent Garden. Die haben sicher auch eine Abteilung für maritime Literatur. Aber ich sehe, worauf Sie hinauswollen: Eine Fachbuchhandlung in unmittelbarer Nähe zur Admiralität, da darf man annehmen, daß die Gentlemen von der Marine dort einkaufen oder einkaufen lassen, nicht wahr?« Noch ein Blick auf das Notizblatt. » Wie lange hat er das Geschäft schon– ah, seit Anfang 1895. Da dürfte er inzwischen eine ganze Reihe von Stammkunden in der Admiralität haben, Offiziere und Beamte.«
» Ja, Sir«, sagt Drummond, » beste Beziehungen für einen Spion, der sich für unsere Marine interessiert, Sir.«
London–Portsmouth, 10. Juli 1911, Montag
Der Frühzug der London & South Western Railway nach Portsmouth sucht sich klirrend und ratternd seinen Weg durch das Gleisgewirr von Clapham Junction. Vor elf Minuten, pünktlich um 7 Uhr 05, hat er die Waterloo Station verlassen. Jetzt, an einem Montagmorgen, ist er bis auf den letzten Platz besetzt, und Seiler ist froh, daß er in einem Nichtraucherabteil sitzt. Er ist müde. Er hat lange nicht einschlafen können und sich um halb sechs wecken lassen, in aller Eile rasiert, eine Tasse Tee getrunken und die Hotelrechnung unterschrieben, die von der Botschaft beglichen wird. Dann die kurze Fahrt mit dem Cab über den Fluß zur Waterloo Station. Dort gab er den schweren Schrankkoffer in die Gepäckaufbewahrung. Der enthält die sogenannte Kleine Uniform für formelle Anlässe, die er während der Flottenparade getragen hat, komplett mit Zweispitz und Säbel, dazu einen seiner guten Anzüge und Schuhe. Was er für die paar Tage in Portsmouth brauchen könnte, hat er im Handkoffer.
Fünf Leute sind mit ihm im Abteil, eine alte Dame in Schwarz, ein Ehepaar, das steif und stumm ihm gegenübersitzt, ein Herr mit Strohhut, hinter der Daily Mail verborgen, und ein hochaufgeschossener Midshipman in Uniform. Knapp zwei Stunden wird die Fahrt dauern. Hinter Wimbledon kommt der Zug auf freie Strecke und beschleunigt, schneller wird das Schlagen der Räder auf den Schienenstößen. Rauch wirbelt am Fenster vorbei, auf und nieder schwingen die Telegraphendrähte.
Er hat keinen Fensterplatz bekommen, also drückt er sich in die Ecke und versucht zu schlafen. Doch seine Gedanken
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