Verdeckt
ich älter und wirklich bereit für eine Familie wäre, würde ich die Sache in Angriff nehmen.«
»Wusste Chris davon?«
Kelly schüttelte den Kopf. »Das passierte alles schon, bevor wir uns kennenlernten. Und als ich Jessica hatte, konnte ich nichts mehr sagen. Wie hätte ich es ihm denn erklären sollen? ›Ach übrigens, wenn ich Kinder haben will, muss ich mich operieren lassen, und Jessica war nur ein Glückstreffer?‹ Ich ließ ihn glauben, es wäre für mich nur sehr schwer, schwanger zu werden. Monat für Monat versuchten wir es und immer schüttelte ich den Kopf, als würde ich mich wundern, dass es nicht klappte. Irgendwann sagte ich ihm, ich wolle sowieso nur ein Kind haben. Jessica war so vollkommen. Sollten wir es nicht dabei belassen?«
»Und du hattest keine Fehlgeburten mehr?«
Kelly sah zu Boden. »Ich habe mir Hormonspritzen geben lassen. Das tue ich immer noch.«
Sie hatte sich selbst bestraft, weil sie Suzannes Tochter zu sich genommen hat. Sich weitere Kinder versagt.
»Und wie bist du zu dem Baby gekommen?«, flüsterte Lacey.
Kelly setzte sich zurecht. Dann starrte sie auf ihre Hände, die ineinander verschlungen in ihrem Schoß lagen. »Er hat sie mir gebracht. Ich habe nicht um sie gebeten. Ich wusste nicht einmal, wer sie war.«
»Wer hat sie dir gebracht?«
»Bobby DeCosta.«
»Du kanntest ihn tatsächlich? Etwa schon vor dem Prozess?«
Kelly schüttelte den Kopf. Sie sah Lacey flehend an. »Nein. Er ist mir damals zum ersten Mal begegnet. Er saß oft draußen im Flur vor dem Gerichtssaal, sah niemanden an und redete auch nicht. Es hieß, er hätte eine geistige Behinderung. Deshalb habe ich ihn irgendwann angesprochen.«
Lacey nickte. Sie ahnte, was Kelly dazu bewogen hatte, sich mit dem Jungen zu beschäftigen. Patrick, Kellys kleiner Bruder, war schwerst mehrfachbehindert.
»Geantwortet hat er mir nie. Nur zugehört. Ich wollte ein bisschen nett zu ihm sein, weil alle ihn behandelt haben wie Dreck. Angeblich konnte er wegen seiner Behinderung nicht sprechen, aber er kam mir ziemlich aufgeweckt vor. Und er tat mir leid. Während einer unserer einseitigen Unterhaltungen erwähnte ich irgendwann, dass ich keine Kinder bekommen könnte. Mir ist klar, dass Unfruchtbarkeit etwas ganz anderes ist, als keine Stimme zu haben. Aber ich wollte ihm damit sagen, dass kaum ein Mensch alles hat.
Ein paar Monate später stand er plötzlich mit einem süßen Baby vor meiner Tür. Einem Mädchen. Chris und ich hatten uns zerstritten und getrennt. Wir redeten nicht mal mehr miteinander und ich war schrecklich deprimiert und einsam. Jessica gab mir mein Leben zurück. Mit ihr fühlte ich mich wieder als ganzer Mensch und konnte mit einem positiven Gefühl in die Zukunft blicken. Ich zog zu meiner Tante nach Virginia und gab Jessica als mein eigenes Kind aus.«
»Und du hast ihn nicht gefragt, woher er das Baby hatte?« Lacey saß reglos da. Ihre Stimme war belegt.
»Doch. Habe ich. Und da hörte ich ihn zum ersten Mal sprechen. Er war gar nicht stumm.« Einen Augenblick lang klang Kellys Stimme sarkastisch. »Er sagte mir, eine Freundin von ihm könne das Kind nicht behalten, und er wollte, dass ich es bekäme, weil ich der einzige Mensch sei, der je nett zu ihm war. Er glaubte, er täte mir einen Gefallen.«
»Aber was war mit den Behörden? Du brauchtest doch eine Geburtsurkunde.«
Kelly schüttelte den Kopf. Laceys Blick wich sie aus. »Darum hat sich meine Tante gekümmert. Ich weiß nicht, wie sie das gemacht hat, und es hat mich auch nicht interessiert. Ich wollte das Kind nur einfach behalten.«
»Und dann hast du dich wieder mit Chris versöhnt.«
»Als er hörte, dass ich ein Kind hatte, war er erst einmal schockiert. Aber er liebte Jessica vom dem Augenblick an, in dem er sie zum ersten Mal sah.«
»Und du wusstest nicht, dass sie Suzannes Tochter ist?«
Kelly hob den Kopf und starrte aus dem Fenster. Sie schaute ihrer Tochter zu, die dem Schneemann ein Lächeln aus kleinen Steinen ins Gesicht steckte. »Das wurde mir erst klar, als sie etwa fünf Jahre alt war. Eines Tages legte sie den Kopf schief und zog dabei die Nase kraus.« Kelly ahmte die Bewegungen nach und Lacey blieb beinahe die Luft weg. »Du weißt, was ich meine? Mich hat das damals auch schockiert. Ich sehe Suzanne noch vor mir, wie sie dasselbe macht. Plötzlich fiel mir auch auf, dass Jessica Suzannes Augen hat. Von da an wusste ich Bescheid.«
Lacey war sprachlos. Wie oft hatte sie Suzanne mit schief
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