Verdeckte Fouls
andere Vereine abwirbt«, vermutete er. »Strasser ist bei uns ein wichtiger Mittelfeldmann geworden.«
»Daran haben wir auch schon gedacht. Könnten denn Abwerbungsversuche von anderen Vereinen dahinterstecken?«
»Möglich wäre es, aber das wäre kein Fairplay mehr. Das wären sogar üble Fouls.«
»Welche Gründe können Sie sich noch vorstellen, Mr Franke?«
»Vielleicht Rache an mir … allerdings wüsste ich nicht, warum. Ganz sicher wollte jemand einen Keil zwischen die Mannschaft und mich treiben.«
Justus nickte, steckte den Zettel wieder ein und wandte sich zur Tür, als ob er gehen wollte. Die letzte Frage sollte überraschend kommen. Ganz plötzlich drehte er sich noch einmal um: »Ach, eins noch, Mr Franke. Was war das eigentlich für eine Geschichte; die hinter der aufgesprayten Katze steckt?«
Franke lachte auf. »Katze? Mein Herr Detektiv, das war doch keine Katze! Das war ein Jaguar. Ich darf es eigentlich niemandem erzählen, aber jetzt ist es ja sowieso egal. Weißt du, Julio DaElba hat einen Bruder, Alberto. Als sie Kinder waren, nannte man sie die DaElba-Jaguare. Sie wuchsen im Urwald auf, haben dort viel zusammen erlebt und haben in allen Gefahren fest zusammengehalten.«
Gebannt hörte Justus zu. »Es war also ein Spiel von Kindern?«
»Ja, aber wohl ein sehr intensives: die beiden Jaguare auf Abenteuerjagd. Die Jaguare in Gefahr. Die Jaguare klettern von Baum zu Baum. Die Jaguare auf der Lauer. Die Jaguare fliehen vor Großwildjägern. Und so weiter. Sie erlebten ihre ganzen Kinderabenteuer im Zeichen des Jaguars.«
»Woher wissen Sie das so genau?«
»Julio hat es mir erzählt. Du musst wissen, dass sein Bruder inzwischen verschwunden ist. Er hat alle Beziehungen abgebrochen. Julio leidet sehr darunter.«
Justus nickte. Er wollte Franke nicht sagen, dass er diesen Teil der Geschichte schon kannte. Immerhin konnte er so noch einmal sicherstellen, dass Franke die Wahrheit sagte. Und bislang stimmte die Erzählung des Trainers vollkommen mit der DaElba überein. Justus fragte weiter. »Und nun wird ein Jaguar auf sein Sweatshirt gesprayt. Warum regt ihn das so auf?«
»Es ist eine verdammt merkwürdige Geschichte. Als Alberto älter wurde und sich von seinem kleinen Bruder lösen wollte, hing Julio wie eine Klette an ihm. Julio liebte seinen Bruder. Da zerschnitt Alberto ihm zur Warnung eines Tages die Kleider. Julio ließ dennoch nicht von ihm ab. Albertos letzte Botschaft war dann ein schwarz auf sein Auto gesprayter Jaguar. Er war mit einem großen Kreuz durchgestrichen. Ein Symbol mit starker Aussagekraft, zumindest für Julio. Es sollte so viel bedeuten wie: ›Deinen Jaguar gibt es nicht mehr. Das ist Vergangenheit. Kinderspielereien. Lass mich in Ruhe! Hau ab!‹ Julio war den Tränen nahe, als er es mir erzählt hat. Er hängt noch heute sehr an Alberto.«
Justus nickte. »Dann hat ihn das erneute Auftauchen dieser Symbole sicher sehr getroffen. Und natürlich hat er geglaubt, dass Sie dahinterstecken, weil Sie als Einziger die Bedeutung dieser Zeichen kennen. Das Seltsame ist nur: Wenn Sie es nicht waren, woher wusste der große Unbekannte von der Jaguargeschichte? DaElba hatte sie doch nur Ihnen erzählt.«
»Das weiß ich natürlich nicht mit Sicherheit. Ich weiß nur, dass er sie auch mir erzählt hat. Hier in Rocky Beach. Wir unterhielten uns darüber, dass viele Brasilianer der Fußballliga zu spät aus der Winterpause zurückkehren, weil sie von zu Hause, von Brasilien nicht loskommen. So kamen wir auf seine Freunde, seine Familie. Er erzählte und erzählte. Wir hatten ja bis vor Kurzem ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis, Julio und ich. Ich war seine Ansprechperson hier im Verein. Aber warum sollte er lügen? Julio ist nicht der Typ dazu. Er ist nie hintenherum. Wenn er behauptet, er habe die Geschichte von seinem Bruder bei Borussia nur mir erzählt, dann stimmt das sicherlich auch.«
Justus dachte einen Moment lang nach. »Wo haben Sie denn mit Julio darüber gesprochen, Mr Franke?«
»Es war in meinem Zimmer. Und es war absolut niemand sonst bei uns oder in der Nähe, wenn du darauf hinauswillst. Ich kann es mir nicht erklären.«
»Danke, Mr Franke. Sie haben uns sehr geholfen. Ich hoffe, wir können uns revanchieren. Wir haben doch Ihren Auftrag?«
Franke nickte ihm zu. »Klar, gerne. Was nehmt ihr eigentlich als Honorar?«
»Nichts«, sagte Justus und schüttelte zum Abschied Frankes Hand.
Wir sind einen großen Schritt weiter, dachte er, als
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