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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen den Nagel stemmte. Er rührte sich nicht. Grunzend drückte sie noch einmal. Und noch einmal. Er bewegte sich nicht. Scheißding. Sie warf sich dagegen. Nichts. Noch einmal.
    »Scheiße!«
    Sie setzte sich auf den Sims. Trotz der Kälte spürte sie Schweiß unter den Achseln. Das letzte Mal hatte der Nagel sich vor über einer Stunde bewegt, und da nicht einmal einen halben Zentimeter. Ein Signal, ihre Bemühungen einzustellen.
    Aber sie hatte doch keine andere Wahl.
    Mit der Neoprenmanschette an ihrem rechten Fußknöchel stimmte etwas nicht. Sie tauchte die Hand ins Wasser und tastete vorsichtig ihren Knöchel ab. Die Manschette selbst war okay, das Neopren darüber jedoch hart und ausgebeult, als hätte sich dort Wasser angesammelt. Sie schlang den Gurt der Helmlampe um den Kopf und beugte sich hinunter, um den Anzug zu untersuchen. Über dem Knöchel war er aufgebläht wie ein Ballon, und wenn sie das Bein bewegte, spürte sie, wie Flüssigkeit darin herumschwappte. Behutsam schob sie einen Finger unter die Manschette und zog sie auf. Etwas Flüssiges strömte heraus. Warm. Und rot im Licht der Lampe.
    Fuck . Sie lehnte den Kopf an das Schott und atmete tief und langsam durch, um das Schwindelgefühl zu bekämpfen. Die Wunde an ihrem Oberschenkel war aufgebrochen, und sie hatte ziemlich viel Blut verloren.
    Das war nicht gut. Überhaupt nicht gut.

61
    D amien Graham tat sich keinen Gefallen, wenn es darum ging, die Vorurteile anderer Leute zu widerlegen. Als Caffery kurz nach sechs Uhr abends an seinem kleinen Reihenhaus eintraf, stand er in der offenen Tür, betrachtete die Straße und rauchte – ausgerechnet – einen Zigarillo. Er trug eine Wraparound-Sonnenbrille, Marke Diesel, und einen kamelhaarfarbenen Zuhältermantel. Nur der breitkrempige Hut aus violettem Filz fehlte noch. In einem Winkel seines Herzens empfand Caffery unwillkürlich Mitleid mit dem Kerl.
    Als er den Weg heraufkam, nahm Damien den Zigarillo aus dem Mund und grüßte mit einem Nicken. »Was dagegen, wenn ich rauche?«
    »Wenn es Sie nicht stört, dass ich esse?«
    »Nee. Nur zu, Mann, nur zu.«
    Am Morgen beim Rasieren vor dem Spiegel im Büro hatte Caffery den Eindruck gehabt, er sehe hager aus, und sich vorgenommen, sich etwas zu essen zu besorgen. Jetzt war sein Beifahrersitz voll mit Tankstellen-Sandwiches und Schokoriegeln – Mars, Snickers, Twix. Eine typisch männliche Lösung dieses Problems. Er durfte nicht vergessen, das ganze Zeug irgendwo in Sicherheit zu bringen, bevor er Myrtle das nächste Mal ins Auto ließ. Er zog ein Caramac aus der Tasche, brach zwei Stücke ab und schob je eins rechts und links in den Mund. Sie standen mit dem Rücken zum Haus und betrachteten mit ausdrucksloser Miene die Autos in der Straße. Den Van der Spurensicherung. Qs verrückten Retro-Volvo.
    »Verraten Sie mir, was hier los ist?«, fragte Damien. »Die nehmen mir die ganze Bude auseinander. Angeblich gibt es da eine Kameraanlage in meinem Haus.«
    »So ist es.« Damien war nicht der Einzige. Bei den Blunts hatte man das Gleiche gefunden. Turner redete gerade mit ihnen. Tatsächlich befanden sich alle im Einsatz, alle außer Prody. Caffery konnte ihn telefonisch nicht erreichen. Er hätte gern gewusst, wo er sich rumtrieb – und ob er etwas über Flea herausgefunden hatte. »Damien«, sagte er. »Diese Kameras. Sie haben vermutlich keine Ahnung, wie die da hineingekommen sein könnten?«
    Damien schnaubte verächtlich. »Was wollen Sie damit sagen? Glauben Sie, ich hab sie hier versteckt?«
    »Nein. Ich glaube, dass jemand in Ihrem Haus gewesen ist und sie dort installiert hat. Aber ich weiß nicht, bei welcher Gelegenheit. Sie vielleicht?«
    Damien schwieg eine Zeit lang. Dann schnippte er den Zigarillostummel in den verwilderten Vorgarten. »Ja«, sagte er gedehnt und zog sich den Mantel fester um die Schultern. »Vielleicht weiß ich es. Hab’s mich ja auch schon gefragt.«
    »Und?«
    »Ein Einbruch. Vor langer Zeit. Vor der Sache mit dem Auto. Ich hab immer gedacht, es hätte was mit meiner Missus zu tun gehabt; sie hatte damals ein paar ziemlich schräge Freunde. Wir haben Anzeige erstattet, aber komisch war’s schon. Nichts ist geklaut worden. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, fange ich an … Sie wissen schon … mich zu fragen.«
    Caffery schob sich das letzte Stück Caramac in den Mund, sah sich um und an Damien vorbei zu den Fotos im Hausflur. Es waren gerahmte Atelierfotos von

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